Medienabend
Mittwoch, 6. Februar 2019, 18:30–20:00 Christoph Neidhart / Frank Rövekamp: „Abenomics – Strohfeuer oder Wohlstand für alle?“
Abenomics ist ein Erfolg: Japan hat seine Deflation überwunden, die Löhne steigen, es herrscht Vollbeschäftigung, ja sogar Arbeitskräftemangel. Zwar gibt es noch mehr zu tun, aber die japanische Wirtschaft wächst. Und mit TPP-11, dem Freihandelsabkommen mit der EU, einer engeren Zusammenarbeit mit China und den bevorstehenden Olympischen Spielen wird sie weiter wachsen. So stellt die Regierung den Zustand der japanischen Wirtschaft dar.
Kritiker halten dem entgegen, die gute Konjunktur stütze sich wesentlich auf die ultralockere Geldpolitik, welche die Notenbank insbesondere durch ihr gigantisches Kaufprogramm für Staatsanleihen umsetzt. Über Anlage-Fonds ist die „Bank of Japan“ auch zum Großaktionär vieler Unternehmen geworden. Ein geldpolitisches Experiment ohne Beispiel in der Geschichte und mit unkalkulierbaren Risiken. Derweil habe es die Regierung versäumt, die gewonnene Zeit für wirkliche Reformen zu nutzen. So zeigen die Skandale von Toshiba bis Nissan, dass die Kontrolle japanischer Unternehmen noch immer nicht funktioniert. Die demographische Zeitbombe tickt unvermindert weiter, und während sich weite Teile der japanischen Provinz entvölkern, nimmt die Konzentration im Großraum Tokyo trotz Erdbebengefahr zu.
Droht der Staatsbankrott? Was wären die Konsequenzen? Oder kann der Übergang zu einem nachhaltigen Wachstum noch gelingen? Welche Reformen müssten dafür unternommen werden? In einem Gespräch erörtern Frank Rövekamp und Christoph Neidhart den Zustand der japanischen Wirtschaft und ihre Aussichten.
Christoph Neidhart ist der Tokyo-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und des Zürcher Tages-Anzeigers. Er lebt seit 17 Jahren in Japan. Zuvor berichtete er acht Jahre als Korrespondent aus Russland und war vier Jahre Visiting Scholar am Russland-Institut der Harvard University. Neidhart hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem Die Nudel: Eine Kulturgeschichte mit Biß (Deuticke), das auch in japanischer Übersetzung erschienen ist: クリストフ ナイハード: ヌードルの文化史 (Kashiwashobō). Und über den wirtschaftlichen Aufschwung in Ostasien: Die Kinder des Konfuzius: Was Ostasien so erfolgreich macht (Herder).
Prof. Dr. Frank Rövekamp, Direktor des Ostasieninstituts der Hochschule Ludwigshafen, verfügt über drei Jahrzehnte Japanerfahrung in unterschiedlichen Positionen. In den 90er Jahren war er als kaufmännischer Leiter des Automobilzulieferers Keiper Recaro Japan tätig. In der Zeit leitete er auch den Automobilkreis der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan. Anschließend wechselte er in die chemische Industrie und war von 2001-2003 Geschäftsführer von Sumika Bayer Urethane (SBU), einem Joint Venture zwischen Sumitomo Chemicals und Bayer. Von 2006-2008 leitete er die Asienzentrale von Bayer Material Science (heute Covestro). Seit seinem Ruf als Professor für Japanische Wirtschaft und Politik im Jahre 2009 befasst sich Frank Rövekamp insbesondere mit wirtschaftspolitischen Themen.