Montag, 18. April 2022, 18:30–20:00 Prof. KAJI Teruyuki: „Neue Erkenntnisse zur ‚Siebold-Affaire‘“, Teil 1/2

160 Jahre Freundschaft Deutschland-Japan

ACHTUNG! Aufgrund des Infektionsgeschehens wurde der ursprünglich für den 28.2. geplante Vortrag auf den 18.4. verschoben!

Am 1. Mai 1826 fand die Audienz beim Shōgun statt. Siebold beschrieb sie ausführlich im Tagebuch: wie Oberst v. Stürler, Dr. Bürger und er in feierlicher Prozession abgeholt und über Brücken, an Palästen vorbei, durch Galerien und prächtig geschnitzte Tore in den Audienzsaal geführt wurden, der Oberst als Gesandter noch etwas weiter gehen durfte, sich dann auf den Boden werfen und tiefgebeugt dem Shōgun seine Huldigung darbringen musste. Gesehen hatte keiner der drei den Herrscher! (S. 833)

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Eine zweite Audienz beim Shōgun verlief unter dem gleichen Zeremoniell wie die erste. Diesmal wurden in hergebrachter Weise die Artikel verlesen, nach denen die Holländer den Handel mit den Japanern zu treiben hatten. Gleichzeitig verabschiedete sich die Gesandtschaft und rüstete sich zur Rückreise nach Nagasaki. Siebold hoffte immer noch, länger in Edo bleiben zu dürfen. Er wurde darin bestärkt, als man ihm ein botanisches Werk in dänischer Sprache brachte, das er für den Shōgun übersetzten sollte. So hatten nämlich die Hofärzte sein längeres Bleiben begründen wollen, und alles schien in bester Ordnung zu sein. Da erfuhr er, dass die Bewilligung in letzter Minute zurückgezogen worden sei! Den Grund konnte niemand angeben. Schnell machte sich Siebold für die Abreise bereit. Über die letzte Begegnung mit seinen gelehrten Freunden trug er in sein Tagebuch ein: Ich gebe eine Abschiedspartie zu Ehren der Hofarzte. Globius (Anm. Spitzname von Sternwart und Verwalter der Hofbibliothek Takahashi) kommt, mir die schönste Karte von Japan zu zeigen und verspricht, mir dieselbe zu besorgen. und hat sein Wort getreue gehalten. (S. 835)

OAG講演 梶 輝行 広報資料「シーボルト事件に関する新たな知見」

Links oben: Journal. Während meiner Reise nach dem Kaiserlichen Hofe Jedo im Jahre 1826
Dr. med. von Siebold. Siebold Tagebuch am 15. Mai 1826
Links unten: Siebolds Beschreibung am 15. Mai 1826 zum Erhalt der Japankarte
Rechts oben: Titelseite des Tagebuchs von v. Stürler
Rechts unten: Tagesbericht Gesandter Oberst v. Stürler am 15. Mai 1826

Am 22. Oktober 1829 wurde das Urteil im „Fall Siebold“ gefällt: er wurde auf ewig aus dem Land verbannt und musste es bei nächster Gelegenheit verlassen. Gleichzeitig wies der Statthalter den Faktorei-Direktor an, dafür zu sorgen, dass Siebold mit dem nächsten Schiff abreise und Stürler nicht zurückkomme. (S. 849)

(Alle drei Zitate aus: Hans Körner, SIEBOLD Beiträge zur Familiengeschichte. Bearbeitet im Auftrage von Friedrich-Karl von Siebold. Teil I, Lieferung 3. Die Würzburger Siebold. Eine Gelehrtenfamilie des 18. und 19. Jahrhunderts. Sonderdruck aus „Deutsches Familienarchiv“ Band 34/35, Verlag Degener & Co., Neustadt a.d. Aisch, 1967)

So begann die rätselhafte sogenannte „Siebold-Affaire“ und erschien erstmals in einem von Siebold selbst geschriebenen Artikel in der Brockhaus Enzyklopädie 1834. Danach wurden innerhalb einer Zeitspanne von fast 200 Jahren und nun kurz vor dem Jubiläum seiner ersten Einreise nach Japan zahlreiche Erläuterungsgeschichten und Forschungsmonographien veröffentlicht.

Professor Kaji (Yokohama University of Pharmacy) plant eine Reihe von drei Jubiläumsvorträgen zum verlängerten 160. Jubiläumsjahr Deutsch-Japanischer Beziehungen 2021. Er wird die Forschungsgeschichte und die daraus neu entstandenen Erkenntnisse zur Siebold-Affaire an Hand von neuen Erkenntnissen, die er durch Studien von Dokumenten der damaligen holländischen Faktorei in Deshima gewonnen hat, erläutern. Als Schlussfolge kommt er zur Erkenntnissen, die zur Rehabilitation eines historischen Menschenbildes und Änderung einer Geschichtsschreibung führen könnten.