Mittwoch, 7. Mai 2025, 18:30–20:00 Prof. i.R. Dr. Shimada Shingo: „Alternde Gesellschaften im Vergleich. Solidarität, Pflege und Wohlfahrt in Deutschland und Japan“

Sowohl in Deutschland als auch in Japan stehen wir heute vor großen Herausforderungen des demographischen Wandels. Die zunehmende gesamtgesellschaftliche Alterung und die sinkende Geburtenrate verweisen auf die sozialpolitischen Probleme, mit denen beide Gesellschaften konfrontiert sind und auch weiterhin sein werden. Für beide Gesellschaften bedeutet dieser Wandel eine Verschiebung der Altersstruktur, in der der Anteil der Älteren (über 65 Jahre) wächst und der der Jüngeren (unter 20 Jahre) schrumpft.

So weit ist die demographische Lage der beiden Gesellschaften vergleichbar. Allerdings ist in Japan die zeitliche Spanne, in der diese Entwicklung vonstattenging, um einiges kürzer und die Veränderungen sind somit drastischer. Japan gehörte noch in den 1970er Jahren im internationalen Vergleich zu den jungen Gesellschaften. 20 Jahre später schloss es zu den anderen Industrienationen auf, überholte sie in der demographischen Entwicklung und nimmt heute unter den gealterten Gesellschaften eine Spitzenposition ein.

Als eine der großen Herausforderungen, die durch die Alterung der Gesellschaft entstehen, gilt das Problem der Pflege. Hierbei stellt sich die dringende Frage, wie wir mit der zunehmenden Zahl demenzerkrankter alter Menschen umgehen können. Da die Pflege der demenziell erkrankten Menschen besonders aufwendig ist, sind verstärkte sozialpolitische Vorkehrungen notwendig. Der im Jahr 2015 in Deutschland viel diskutierte neue Pflegebegriff und das damit einhergehende zweite Pflegeverstärkungsgesetz drücken sehr deutlich aus, dass man sich heute dieser Problemlage bewusst ist. Insofern breitet sich in der deutschen Gesellschaft langsam die Erkenntnis aus, dass die Frage nach dem Umgang mit dementen Menschen kein rein medizinisches, sozial- oder wohlfahrtspolitisches Problem darstellt, sondern den Kernbereich des gesellschaftlichen Zusammenlebens berührt. Denn das Phänomen Demenz wirft die Frage auf, was letztendlich unser Selbstsein ausmacht. Es geht dabei um das Konzept des Selbst, das Verständnis von Leben und Tod sowie die Frage, was das Menschsein ausmacht. In diesem Sinn fordert das Phänomen Demenz ein tiefgreifendes Umdenken sowohl im Alltagshandeln als auch im wissenschaftlichen Denken heraus. Es steht daher außer Frage, dass eine umfassende, nicht nur medizinische, sondern interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Phänomen Demenz notwendig ist.

An diesem Punkt setzt der geplante Vortrag an und stellt einige Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojektes vor. Der Vortrag behandelt auch die persönlichen Erfahrungen des Vortragenden mit der Pflege seiner dement gewordenen Mutter in Tokyo und stellt diese in einen vergleichenden Kontext.

Shimada Shingo, Prof. i. R. Dr. phil., geboren am 03.04.1957 in Osaka/Japan, kam 1972 mit der Familie nach Deutschland. Studium der Soziologie, Philosophie und germanistischen Linguistik in Münster, Promotion und Habilitation im Fach Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Professur für kulturvergleichende Soziologie am neu gegründeten Institut für Ethnologie an der Universität Halle-Wittenberg 2002-2005. Lehrstuhl für Modernes Japan mit sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2005-2023.

Zahlreiche Veröffentlichungen u.a.: Grenzgänge – Fremdgänge. Japan und Europa im Kulturvergleich, Campus 1994; Die Erfindung Japans. Kulturelle Wechselwirkung und nationale Identitätskonstruktion, Campus 2007; Altersdemenz und lokale Fürsorge. Ein deutsch-japanischer Vergleich, transcript 2018.

Dies ist die erste Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Altern im Ausland“

SOMMERZEIT!!
Zeit: 18.30-20.00 Uhr (Japan), 11.30-13.00 Uhr (MESZ)
Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/83441502145?pwd=ODkgCqzcp8hSdQ8NFyobxQd3zThuhy.1
Meeting ID: 834 4150 2145
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