Vorträge
Donnerstag, 6. März 2025, 18:30–20:00 Dr. Sebastian Polak-Rottmann: „Strukturen der Resilienz in Japans ländlichen Kommunen – Einblicke in den Umgang mit dem Noto-Erdbeben 2024 direkt nach der Katastrophe und ein Jahr danach“
Japans ländliche Regionen lassen durch ein dichtes Netz an sozialen Beziehungen charakterisieren, die sich durch gemeinsame Dorfaktivitäten, das Teilen von Gemüse oder andere Gütern sowie der Hilfsbereitschaft in Zeiten der Not auszeichnen. Diese Formen des regelmäßigen sozialen Austauschs werden in der Forschung als ein entscheidender Faktor für die Resilienz dieser Gemeinschaften gegenüber Katastrophen gesehen. In einem Land wie Japan, das sich einer Vielzahl von Naturereignissen gegenübergestellt sieht, konnten diese Befunde beispielsweise während des Kumamoto-Erdbebens 2016 erneut bestätigt werden. Allerdings bringen der stetige Bevölkerungsschwund und die zunehmende Überalterung vieler ländlicher Regionen große Herausforderungen für diese Strukturen der Resilienz mit sich. Dorfaktivitäten werden vermehrt abgesagt, soziale Treffpunkte nehmen ab und Einpersonenhaushalte werden häufiger. Inwiefern können unter derartigen Bedingungen lokale Gemeinschaften noch widerstandsfähig gegenüber Naturkatastrophen sein?

Dieser Vortrag widmet sich dieser Frage und stellt Beobachtungen zur Noto-Halbinsel an, einer stark überalterten Region, wo sich am Neujahrstag 2024 ein schweres Erdbeben ereignete. Aufbauend auf einer Forschungsreise in die Katastrophenregion ein Jahr später wird in diesem Vortrag über die Maßnahmen von Schlüsselpersonen direkt vor Ort reflektiert und aus Erzählungen der betroffenen Personen berichtet, die der Vortragende in der Region hören durfte.
Anhand von Bildern und Videomaterial wird der gegenwärtige Zustand einiger Siedlungen vorgestellt und die aktuellen Herausforderungen diskutiert. Dabei wird besonderes Augenmerk auf das Herausbilden von sozialen Räumen gelegt, in denen Hinweise auf Strukturen der Resilienz vermutet werden. Der Vortrag zeigt die Erfolge und Grenzen der Katastrophenbewältigung durch die Bevölkerung vor Ort auf und setzt diese Beobachtungen in den Kontext Japans schrumpfender Regionen.

Sebastian Polak-Rottmann promovierte an der Universität Wien im Fachbereich Japanologie mit einer Arbeit zum Zusammenhang von Wohlbefinden und politischer Partizipation in der ländlichen Aso-Region (erschienen bei Iudicium). Seit Ende 2022 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Japanstudien, wo er seit 2025 den Schwerpunkt zu „Nachhaltigkeit in Japan“ leitet. Im Zuge seines jüngsten Projekts führt er als qualitativer Sozialforscher Feldforschung zum Thema Resilienz in verschiedenen Regionen Japans durch.