Freitag, 21. März 2025, 13:30–15:00 Prof. Dr. Sven Saaler: „Ein Haus mit wechselvoller Geschichte. Besuch des Tekigaisō in Ogikubo“ Ausgebucht!!

Vor dem 2. Weltkrieg war der Stadtteil Ogikubo eine eher dünn besiedelte Gegend, dominiert von Reisfeldern. Wohlhabende Zeitgenossen ließen sich hier seit der Taishō-Zeit (1912-1926) allerdings Villen bauen, in denen sie dem stressiger werdenden Großstadtleben zu entkommen hofften. Einer davon war Irisawa Tatsukichi, der Leibarzt des Kaisers Yoshihito (posthum Taishō) und Ehrenmitglied der OAG.
Nachruf in der NOAG, Nr. 49, 28.2.1939
Irisawa beauftragte 1926 den bekannten Künstler und Architekten Itō Chūta mit dem Bau einer Villa in Ogikubo.

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Historische Ansicht
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Heutige Ansicht nach Rekonstruktion und Restaurierung

1939, ein Jahr nach Irisawas Tod, wurde die Villa an den damaligen Premierminister Konoe Fumimaro verkauft. Konoe gab der Villa den Namen „Tekigaisō“ ().

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Die Familie Konoe war eine der fünf eng mit dem Kaiserhaus verwandten Familien (Go-sekke) und stellte seit dem Mittelalter immer wieder Minister (Kanpaku) am Kaiserhof. Fumimaro war wie sein Vater Atsumaro, der auch in Deutschland studiert hatte, durch Geburt Mitglied des Adelshauses (Kizoku-in) und wurde 1933 mit nur 42 Jahren auch dessen Präsident.

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Konoe Fumimaro

Konoe zeichnete als Premierminister verantwortlich für die Eskalation des Krieges in China im Jahr 1937. Nachdem er 1940 zum zweiten Mal zum Premierminister ernannt wurde, bemühte er sich um einen Ausgleich mit den USA, konnte sich aber nicht gegen das Militär durchsetzen, das die US-Forderung nach einem Rückzug aus China nicht anzunehmen bereit war. Gespräche mit Vertretern von Armee und Marine fanden u.a. in der Villa Tekigaisō statt, so z.B. die als „Ogikubo-Konferenz“ bekannt gewordene Unterhaltung Konoes mit den Ministern für Äußeres, Armee und Marine im Juli 1940. Nach dem Ende des Krieges entging Konoe seiner Verhaftung als Kriegsverbrecher durch Selbstmord – in der Villa Tekigaisō.

Nach dem Krieg geriet die Villa in Vergessenheit, wurde aber seit 2014 mit großem Aufwand restauriert und ist seit Dezember 2024 der Öffentlichkeit zugänglich. Die historische Kontextualisierung ist spärlich und konzentriert sich auf architektonische Gesichtspunkte, auch wenn das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, sondern als „wichtiger historischer Ort“ (shiseki) deklariert ist. Die „Ogikubo-Konferenz“ von 1940 wird in der Ausstellung als wichtiges Ereignis dargestellt, das der Villa ihre historische Bedeutung gibt, wird aber kaum in den größeren Zusammenhang des japanischen Weges in den Zweiten Weltkrieg gesetzt. Zur Konferenz wird erklärt, dass auf dieser Konferenz „wichtige Entscheidungen über die nationale Politik (kokusaku) am Vorabend des Großen Krieges (sic) getroffen wurden,“ erklärt aber weder um welche Entscheidungen es sich handelte oder welche Folgen sie hatten.

Dr. Sven Saaler ist Professor für Moderne Japanische Geschichte an der Sophia-Universität, Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Tokyo und Mitglied im Beirat der National Institutes for the Humanities (NIHU). Als Ko-Autor von Die OAG 1873—1979 hat er sich intensiv mit der Geschichte der japanisch-deutschen Beziehungen beschäftigt. Er ist weiterhin Autor bzw. Herausgeber von Politics, Memory and Public Opinion (2005), Pan-Asianism in Modern Japanese History (2007), The Power of Memory in Modern Japan (2008), Pan-Asianism: A Documentary History (2011), Unter den Augen des Preußen-Adlers (2011), Mutual Perceptions and Images in Japanese-German Relations, 1860-2010 (2017), the Routledge Handbook of Modern Japanese History (2018), Kiki no jidai to ‘chi’ no chōsen (2018) und Men in Metal. A Topography of Public Bronze Statuary in Modern Japan (2020).

Ablauf: Die Exkursionsteilnehmer werden zunächst eine Führung von Mitarbeitern des Tekigaisō erhalten, die bei Bedarf ins Deutsche gedolmetscht wird.
Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit zur Diskussion mit Prof. Saaler.

Im Anschluss bei Interesse:
Spaziergang entlang des Zenpukuji-Flusses mit Picknick und möglicherweise schon Hanami. Leitung: Maike Roeder