Mittwoch, 12. Oktober 2022, 18:30–20:00 Vorführung des Dokumentarfilms „Ōkunoshima“ von Fritz Schumann. Im Anschluss Diskussion mit dem Regisseur

Hinter dem Filmtitel „Ōkunoshima“ verbirgt sich das Ergebnis einer investigativen Recherche über ein bislang wenig erforschtes Kapitel des Zweiten Weltkrieges: Japan hat mithilfe deutscher Experten 9.000 Tonnen chemische Kampfstoffe produziert und sie in China eingesetzt. Der Großteil war Senfgas – schon zehn Tonnen reichen, um eine Stadt wie Tokyo auszulöschen.

Der Ursprungsort der Kriegsverbrechen gleicht heute einem Vergnügungspark: Die größte Giftgasfabrik stand auf Ōkunoshima in der Seto-Inlandsee – weltweit bekannt als Japans „Häscheninsel“. 700 freie Kaninchen locken jährlich eine Million Menschen an und lenken von der Vergangenheit ab.

Japan leugnet den Einsatz von Giftgas, doch bislang unveröffentlichte Dokumente und exklusive Interviews mit Tätern und Zeitzeugen in dieser Recherche belegen: Das Giftgas ist immer noch in China und in Japan – und es ist immer noch gefährlich.

Deutsche Expertise für japanisches Giftgas
Deutschland spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung japanischer Chemiewaffen: Es inspirierte Japan nach dem 1. Weltkrieg selbst Giftgas zu produzieren und entsandte deutsche Experten, wie Dr. Walther Metzener, ein Freund von Otto Hahn. Beim Einsatz von Giftgas auf den Schlachtfeldern nutzte Japan Taktiken der Wehrmacht.

Auch nach dem Krieg besuchten japanische Delegationen regelmäßig Deutschland, um über die Entsorgung von Giftgas zu lernen. Zwei deutsche Experten, die im Auftrag von Japan Chemiewaffen in China entsorgten, wurden im Laufe der Recherche kontaktiert. In einem Modellversuch sollte 2018 die Firma k+s in Hessen japanisches Giftgas, das in China geborgen wurde, in einem Bergwerk in Deutschland lagern.

Es gibt vereinzelt Literatur in Japan und in China, aber kaum tiefgehende Informationen in englischer Sprache zur Thematik. Wenngleich hier und da erwähnt wird, dass auf Ōkunoshima Giftgas produziert wurde, so sind die Informationen selten akkurat.

Fritz Schumann ist freier Journalist und kam 2009 erstmals nach Japan, wo er als freier Auslandskorrespondent arbeitete. Er ist u.a. Autor folgender Bücher: No more Hiroshima (2010), Fukushima? War da mal was? (2012) und Japan 151. Ein Land zwischen Comic und Kaiserreich in 151 Momentaufnahmen (2013). Seit 2013 recherchiert er die Geschichte von Ōkunoshima und den Einsatz japanischer Chemiewaffen in China. Er sprach mit Experten in Peking, reiste durch ganz Japan, sammelte Videomaterial und viele Dokumente in Archiven. Die häufige Verbindung zu Deutschland überraschte ihn dabei immer wieder. Die Recherche wurde größtenteils von ihm selbst finanziert. Dank einer Förderung aus dem Programm „Grenzgänger“ von der Robert-Bosch-Stiftung, konnte er Ende 2018 erneut nach Japan reisen, um seine Recherchen zu vervollständigen. Seitdem ist ein Film von 30 Minuten Länge entstanden, der seine Weltpremiere am 24.11.2019 beim Hiroshima International Film Festival hatte.

Film online (in drei Sprachen verfügbar: deutsch, englisch, japanisch)
www.fotografritz.de

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