Mittwoch, 15. Mai 2024, 18:30–20:00 Wolfgang Herbert: „Karate und Bushidō und andere Mésaillancen: zur Yamato-isierung des Karate-dō“

Auf der Olympiade in Tokyo 2020/1 feierte Karate als olympische Sportdisziplin sein Debut. Es war erst vor einem guten Jahrhundert aus Okinawa auf die Hauptinsel Hondō gekommen. Damals wurde es noch mit den für „China“ (Tang-Dynastie, ) und pars pro toto den Faustkampf („Hand“ ) stehenden Zeichen geschrieben. Das wurde Tōdi oder alternativ „Karate“ gelesen und verweist auf festländische Wurzeln oder Einflüsse. Diese wurden mit der neuen Schreibung getilgt und mit dem Zusatz „“ wurde Karate in ein japanisches Budō transformiert.

Der Zeitgeist der 1930er und 1940er Jahre, als Karate sich auf Hondō auszubreiten begann, beeinflusste es nachhaltig: militaristischer Drill, strikte toxische Hierarchie, Verbissenheit im Training gewissermaßen auf Leben und Tod, Befrachtung mit den Idealen des bushidō in seiner imperialen Variante und nationalistischen Ideologemen wie dem Wahn vom „wahren japanischen Geist“ (Yamato damashii) und dergleichen. Diese Altlast wurde von den Karate-Enthusiasten der ersten Generation(en) im Westen kritiklos übernommen. Sie wird von mir historisch durchleuchtet und entsorgt.

Technisch wurde Karate in Japan simplifiziert und zu einer der extremsten und härtesten Kampfkünste auf der Skala der weichen bis harten Stile hochgezüchtet. Gesundheitlich-hygienische Methoden der Lenkung innerer Energien, Atem- und Entspannungsübungen, Visualisationen, Massagemethoden, Heilverfahren, Meditation im Stehen und im Sitzen und mehr waren integrierte Teile der chinesischen Kampfkünste. Sie werden heute unter dem Überbegriff „Qigong“ rubriziert und stellen „innere“, verlorengegangene und komplementäre Exerzitien zum „äußerlichen“ Karate dar.

In hart-weichen (hybriden) chinesischen Faustkampfstilen werden sie gepflegt, und eine Re-Integration in die Praxis des Karate würde es tatsächlich zu einer lebenslangen Selbstkultivierung geeignet machen, wie es von alten Meistern wie Funakoshi Gichin propagiert wurde. Dazu möchte der Referent mit dem Fernblick auf die mehrere tausende Jahre alte Geschichte indisch-chinesischer Körper- und Geisteskulturen einige Hinweise geben. Sie bilden zugleich Elemente der im Untertitel seines Buches so genannten „integralen Praxis des Karate-“.

Dr. Wolfgang Herbert, Studium der Japanologie (Promotion 1993), Philosophie und Religionswissenschaften an der Universität Wien, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima, Shōtōkan Karate-dō 6. Dan; Autor des Buches: Von Shaolin bis Shōtōkan. Beiträge zur integralen Praxis des Karate-dō. Distelhausen: schlatt-books 2023.

SOMMERZEIT!!

Zeit: 18.30-20.00 Uhr (Japan), 11.30-13.00 Uhr (MESZ)
Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/84744453861?pwd=QTA2UEJ1ZXRxTXg3RFJ3U2dDYkoxZz09
Meeting ID: 847 4445 3861
Passcode: 104509