Vorträge
Mittwoch, 19. Februar 2025, 18:30–20:00 Rahmenprogramm zur Ausstellung „Die Macht der Musik“. „Beethovens Neunte in Japan. Von der Erstaufführung durch deutsche Kriegsgefangene bis zur Popularisierung der Daiku“. Zwei Vorträge von Dario Streich und Prof. Takashi Yahaba
Anlässlich des 200. Jubiläums der Uraufführung der 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven (am 7. Mai 1824) stellt die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Teile der Ausstellung „Die Macht der Musik“ des Beethoven-Hauses Bonn in Japan in deutscher und japanischer Sprache zur Verfügung.
Im ersten Weltkrieg gerieten 4700 Verteidiger der deutschen Kolonie Kiautschou (Jiaozhou) an der chinesischen Ostküste in japanische Kriegsgefangenschaft. Dass gerade in Zeiten solcher menschlicher Grenzerfahrung der Kultur als Kraftquelle eine gar nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung zukommt, lässt sich exemplarisch am Kriegsgefangenenlager Bandō/Shikoku in Japan darstellen. Die Ausstellung kombiniert eine Auswahl der künstlerisch gestalteten Konzertprogramme – unter anderem auch jenes der japanischen Erstaufführung von Beethovens 9. Symphonie am 1. Juni 1918 in Bandō – mit Beethovens Handschriften einiger dort aufgeführter Werke. Fotos der Orchesteraufführungen sowie weitere Originaldokumente veranschaulichen das kulturelle Lagerleben.
Der von der Botschaft zur Verfügung gestellte Teil der Ausstellung konzentriert sich auf die musikalischen Aspekte des kulturellen Lebens im Kriegsgefangenenlager Bandō. Der originale Ausstellungstext wurde an wenigen Stellen an den Ausstellungsort Japan angepasst.

Anlässlich dieser Ausstellung bietet die OAG folgendes Rahmenprogramm an:
„Beethovens Neunte in Japan.
Von der Erstaufführung durch deutsche Kriegsgefangene bis zur Popularisierung der Daiku“
Vortrag 1:
„Zur japanischen Erstaufführung im Kriegsgefangenenlager Bandō am 1. Juni 1918“
Mit der Kapitulation der deutschen Kolonie Tsingtau (Qingdao) am 7. November 1914 gerieten etwa 4700 überwiegend deutsche (aber auch österreich-ungarische, italienische usw.) Männer in japanische Kriegsgefangenschaft. Sie wurden in zwölf Lagern von Kyūshū bis Tokyo interniert und auf Grundlage der Haager Landkriegsordnung behandelt. Nach mehr als zwei Jahren Internierungszeit wurden die drei Lager Tokushima, Marugame und Matsuyama auf Shikoku im April 1917 in einer neuen Einrichtung zusammengelegt: das Kriegsgefangenenlager Bandō (heute Teil der Stadt Naruto, Tokushima), das ca. 1000 Insassen behauste.
Am 1. Juni 1918 ließen die Kriegsgefangenen hier feierlich ertönen: „Alle Menschen werden Brüder!“ Es war die erste dokumentierte, vollständige Aufführung Beethovens Meisterwerk auf japanischem Boden.
Im ersten Teil des Vortrags sollen anhand zeitgenössischer Quellen die Umstände für die japanische Erstaufführung Beethovens neunter Sinfonie beleuchtet werden: Warum war es Kriegsgefangenen erlaubt, zu musizieren? Woher nahm man die Instrumente? Und warum wählte man gerade dieses Stück? Die Beschäftigung mit der japanischen Erstaufführung Beethovens neunter Sinfonie bietet Einblick in eine weitestgehend unbeachtete Episode deutsch-japanischer Beziehungen.
Dario Streich ist kommunaler Beamter bei der Stadtverwaltung Naruto, Tokushima. Nach Abschluss seines Japanologiestudiums an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Unviersität Berlin sowie Auslandssemestern an den Universitäten Tōkai und Tsukuba wurde er über das Japan Exchange and Teaching Programme als Koordinator für Internationale Beziehungen nach Naruto versetzt, um u.a. den seit 50 Jahren bestehenden Städteaustausch mit der Hansestadt Lüneburg zu unterstützen. Seit 2023 ist er fester Mitarbeiter der Stadtverwaltung.

Vortrag 2
„Über die Popularisierung der Neunten zu Daiku“
Im November 1924 wurde die Neunte Beethovens zum ersten Mal von japanischen Musikern der Musikhochschule Tokyo aufgeführt. Seitdem sind 100 Jahre vergangen. Inzwischen ist die Neunte in Japan als „Daiku“ – zunächst in der Vorkriegszeit, dann insbesondere in der Nachkriegszeit – immer populärer geworden. Es stellen sich nun folgende Fragen: 1. Worin besteht die Popularität dieser Symphonie, obwohl deren Chorlied „An die Freude“ auf Deutsch gesungen wird? 2. Wie entstand der Brauch, die Neunte im Dezember aufzuführen?
Die Symphonie genoss schon vor der genannten Erstaufführung 1924 eine gewisse Popularität, weil das Stück als Meisterwerk des „Großen“ galt, wie Beethoven z.B. von Romain Roland genannt wurde. In der Vorkriegszeit spielte also die Schriftlichkeit eine große Rolle. Bei den Aufführungen sangen sehr oft die Schulchöre von Seijō, Tamagawa und Jiyū-Gakuen mit, deren Mitglieder ausgiebig und mit Begeisterung über ihre Erfahrungen sprachen. Dies war ein Anlass dafür, dass sich in der Nachkriegszeit viele Chöre auch in Provinzstädten dazu entschieden, die Neunte aufzuführen. So sangen schon 1949 in Matsumoto, dann 1950 in Okayama die einheimischen Chöre die Neunte zusammen mit dem „Neuen Symphonieorchester“ (dem heutigen NHK-Symphonieorchester).
In der Nachkriegszeit nahm nun die Botschaft der Ode, nämlich Freiheit und Brüderlichkeit, eine entscheidende Stellung ein. Die Neunte wurde jetzt als Botschaft einer neuen, freien und demokratischen Welt empfunden. Seit 1954 wurde sie dann vom Amateur-Chor des „Rō-On“ (労音 = 勤労者音楽協議会 Arbeitnehmer-Musikverband), eine Art Volksbühne in Japan, massenweise im Dezember aufgeführt. Dies trug dazu bei, dass die Symphonie in Japan ausschließlich im Dezember gespielt wird.
Yahaba Takashi, geboren 1962 in Morioka/Iwate. Magister Artium an der LMU München (Neuere deutsche Literatur, Philosophie und Japanologie), Promotion an der Sophia-Universität zum Thema „Hölderlins Gedicht ›Andenken‹“. Lehrtätigkeit seit 1994 an der Dokkyō-Universität. Veröffentlichungen u.a. zur Rezeptionsgeschichte der Neunten:
Zeit: 18.30-20.00 Uhr (Japan), 10.30-12.00 Uhr (MESZ)
Zoom-Link: https://us02web.zoom.us/j/88306822720?pwd=S8uRPs4Chxqbq88xDoWzJROaBl1DKu.1
Meeting ID: 883 0682 2720
Passcode: 348970
Im Anschluss gibt es Musik, gespielt von …
Kondō Ayane (klassische Schlagzeugerin). Sie stützt sich auf das Wissen und die Fähigkeiten, die sie in ihrem Studium der klassischen Musik erworben hat, und führt ein breites Repertoire auf, das von klassischer Musik über eigene Kompositionen bis hin zu Improvisationen reicht, die sich mit dem Thema des Dialogs mit dem Universum und der Natur befassen.
Kondō Ayane wurde in Japan geboren und wuchs dort auf. Sie wurde von ihrem Vater, Hisaatsu Kondō, einem Dirigenten mit Erfahrung im Musikstudium in Berlin, beeinflusst und kam so früh mit westlicher Musik in Berührung. Mit zwei Jahren begann sie ihren musikalischen Weg. 2010 schloss sie das Tokyo College of Music High School im Hauptfach Schlagzeug ab. 2014 studierte sie Pauken bei Michael Kroutil, dem Chefpauker der Česká filharmonie in der Tschechischen Republik. 2015 lebte sie in Dresden, um Schlagzeug und Malerei zu studieren. 2020 gewann sie den 4. Preis beim „World BACH Competition 2020, Boulder Bach Festival“ in der Kategorie Instrumental Professional – Hammered dulcimer solo. Sie lebt seit 2021 in Berlin und ist eine klassische Schlagzeugerin sowie die einzige Hammered dulcimer-Spielerin in Deutschland. Zudem ist sie auch eine engagierte Musikpädagogin. Derzeit unterrichtet sie Klavier, Musiktheorie, Schlagzeug und Hammered dulcimer.
Link zur Webseite und YouTube-Seite der Künstlerin.
IBUKI. 1992 in Tokyo geboren. Ab dem Alter von 7 Jahren hat IBUKI das Gitarrenspiel autodidaktisch erlernt. Im Alter von 17 Jahren entdeckte er die Musik von Django Reinhardt und war begeistert. Seitdem arbeitet er hauptsächlich als Gypsy Jazz Gitarrist. Vor allem spielt IBUKI auf der „Selmer-Maccaferri-Gitarre“. 2016 gründeten IBUKI und Kondō Ayane, Percussion/Hammered Dulcimer player, das Weltmusik-Duo “LuneSonne“. Seit 2019 lebt er in Berlin. Mit Gypsy-Jazz, klassischen, traditionellen und eigenen Kompositionen taucht er tief in den Kosmos Musik ein und findet dort immer neue Formen von Interpretation.
Wann?
Ausstellung: Dienstag, 18. bis Sonntag, 23. Februar 2025, täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr, am Wochenende bis 17.00 Uhr
Vorträge: Mittwoch, den 19. Februar 2025, 18.30 bis 20.00 Uhr
Wo?
Vorträge: Bibliothek des OAG-Hauses und online per Zoom
Ausstellung und Konzert: Foyer des OAG-Hauses
Ausstellungsmacher: Stefan Speidel
HINWEIS:
Am Freitag, den 21. Februar 2025 geben Kondō Ayane und IBUKI ein eigenes Konzert im OAG-Saal mit Werken von Bach, Beethoven und traditioneller Musik der Roma (La Gitane).
OAG-Mitglieder erhalten vergünstigte Karten (Vorverkauf: 2,000 Yen/Abendkasse 2,500 Yen). Bitte kaufen Sie Ihr Ticket nach Möglichkeit online über Peatix. Sollte dies nicht möglich sein, können Sie Ihr Ticket aber auch im Büro bestellen und an der Abendkasse in bar bezahlen.
