Vorträge
Donnerstag, 19. Juni 2025, 18:30–20:00 Prof. Dr. iur. Philipp Osten: „Das andere Nürnberg: Der Tokioter Kriegsverbrecherprozess“
Der Tokioter Prozess (1946–1948) gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg hat, anders als sein deutsches Pendant, lange Zeit wenig Beachtung gefunden. Dies gilt auch für seine Rezeption im Völkerstrafrecht. Das Urteil von Tokio wurde in der internationalen wissenschaftlichen Debatte zumeist als bloße Fußnote zum Nürnberger Kriegsverbrecherprozess (1945–1946) behandelt. Erst in jüngster Zeit erfährt die Diskussion um den Tokioter Prozess eine Renaissance.

In Tokio bildete der Straftatbestand der „Verbrechen gegen den Frieden“ den Schwerpunkt der Anklage. Zu einer Verurteilung wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ kam es hingegen nicht. Im Prozessverlauf kam es einerseits zur systematischen Ausblendung zentraler Bereiche des Kriegsunrechts. Andererseits trug das Verfahren zur Herausbildung von für das moderne Völkerstrafrecht prägenden Rechtsfiguren bei.
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs geht der Vortrag den Rechtsproblemen und historischen Hintergründen des Verfahrens nach und beleuchtet auch die japanischen Reaktionen auf den Prozess bis heute.


Prof. Dr. iur. Philipp Osten, geb. 1973 in Bonn, wuchs u.a. in Japan auf und studierte Rechtswissenschaft in Berlin (Humboldt-Universität) und Tokio (Keio-Universität). Er ist Professor für Strafrecht und Internationales Strafrecht an der juristischen Fakultät der Keio-Universität in Tokio. Seinen Forschungsschwerpunkt bildet das Völkerstrafrecht. Zur Vortragsthematik liegen von ihm neben zahlreichen japanischen Publikationen die folgenden Bücher vor:
Der Tokioter Kriegsverbrecherprozeß und die japanische Rechtswissenschaft
BWV: Berliner Wissenschafts-Verlag (Berliner Juristische Universitätsschriften, Strafrecht, Bd. 16), Berlin, 2003 (ISBN 3-8305-0376-8)
Tokioter Prozess_Osten_Flyer (BWV)
The Tokyo Tribunal: Perspectives on Law, History and Memory (Mitherausgeber)
TOAEP: Torkel Opsahl Academic EPublisher), Brussels, 2020
(ISBN 978-82-8348-137-2)
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