Donnerstag, 4. Oktober 2018, 18:30–20:00 Prof. Dr. Gabriele Vogt: „Die Gouverneurswahl in Okinawa 2018: Eine politische Diskussion im Kontext von Tagespolitik und Identitätsfragen“

Am 30. September wählt Okinawa einen neuen Gouverneur. Erwartet wird ein Zweikampf zwischen Atsushi Sakima, dem ehemaligen Bürgermeister von Ginowan, dessen Kandidatur u.a. von der in Tokyo regierenden Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP) unterstützt wird, und Denny Tamaki, hinter dem sich die Kräfte der politischen Linken versammeln, die in der Präfektur als „All Okinawa“ Bewegung zusammengeschlossen sind. Tamaki ist derzeit Abgeordneter im japanischen Unterhaus und Mitglied der Liberalen Partei (LP). Er gilt als Wunschkandidat des im August im Amt verstorbenen Takeshi Onaga, der sich, wie kein anderer Gouverneur seit Masahide Ōta in den 1990er Jahren, als regionale Opposition gegen die japanische Zentralregierung positionierte. Dies galt insbesondere für seinen Widerstand gegen den von der Zentralregierung forcierten Neubau eines US-Militärstützpunktes in der Bucht von Henoko.

In diesem Vortrag werden Wahlkampf und Wahlausgang der Gouverneurswahl von Okinawa aufbereitet und analysiert. Eingebettet ist die Diskussion in zwei Aspekte: Tagespolitik und Identitätsfragen. Seit der Rückgliederung Okinawas an Japan im Jahr 1972 wird von Bürgern und Lokalpolitikern Okinawas auf die noch immer andauernde Stationierung zahlreicher US-Soldaten in der Inselpräfektur verwiesen und die unverhältnismäßigen Belastungen, die diese mit sich bringt – Umweltverschmutzungen, Kriminalitätsrate usw. – angeklagt. Die japanische Zentralregierung hat bis dato keine grundlegende Reform dieser Umstände in Aussicht gestellt. Gerade in den letzten Jahren hat dieser politische Stillstand innerhalb der Präfektur abermals die Identitätsfrage ins Zentrum gerückt und zu einem Anstieg populistischer und separatistischer Rhetorik in Wahlkämpfen geführt. Auch lässt sich ein Anstieg eines Ryūkyū-Stolzes im politischen Diskurs wie öffentlichen Raum nachzeichnen, propagiert gerade auch vom verstorbenen Gouverneur Onaga. Der Ausgang der Gouverneurswahl von 2018 ist von richtungsweisender Bedeutung für die Präfektur: Werden Lokalstolz und regionale Opposition gestärkt oder aber gewinnt der Zentralstaat von Premierminister Shinzō Abe die Oberhand?

IMG_2601
Seit 2004 protestieren Bürger in Henoko gegen den Neubau eines US-Militärstützpunktes. © Gabriele Vogt

Prof. Dr. Gabriele Vogt ist seit 2009 Professorin für Politik und Gesellschaft Japans im Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg sowie seit 2016 Gastprofessorin an der Waseda Universität in Tokyo. Zu ihren Forschungsinteressen zählen Lokalpolitik und politischen Protestbewegungen in Japan. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei seit ihrer Dissertationsschrift der Region Okinawa, s.a. Vogt, Gabriele (2003): Die Renaissance der Friedensbewegung in Okinawa. Innen- und außenpolitische Dimensionen 1995–2000. München: iudicium Verlag.

Ihre neueren Publikationen zu Okinawa u.a.: Vogt, Gabriele (2018): Political Protest from the Periphery: Social Movements and Global Citizenship in Okinawa. In: Chiavacci, David und Julia Obinger (Hg.): Social Movements and Political Acivism in Contemporary Japan: Re-emerging from Invisibility. London: Routledge, S. 71–92; Vogt, Gabriele (2015): Setting Out to Imagine a New Community: Okinawa’s Reversion to Japan. In: Hein, Ina und Isabelle Prochaska-Meyer (Hg.): 40 Years Since Reversion. Negotiating the Okinawa Difference in Japan Today. Wien: Universitätsverlag, S. 44–70; Vogt, Gabriele und Anna Wiemann (2013): Okinawa und die Außen- und Sicherheitspolitik der Hatoyama-Administration. In: Asiatische Studien / Études Asiatiques, LXVII/2, S. 711–738.

OAG-Vortrag, Prof. Dr. Vogt