Mittwoch, 14. März 2018, 18:30–20:00 Dr. Tobias Söldner: „Sexismus und Karriereambitionen japanischer Universitätsstudenten“

Spricht man von „Sexismus“, so denken die meisten Menschen unwillkürlich an abfällige Kommentare über Frauen, feindselige Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Übersehen wird dabei einerseits, dass sich auch Männer mit den Folgen geschlechtsbezogener Stereotype auseinanderzusetzen haben; andererseits ist nicht jede Form von Sexismus darauf ausgerichtet, die Zielpersonen in einem besonders negativen Licht erscheinen zu lassen. Ein Beispiel hierfür sind Stereotype, die den Vertretern beider Geschlechter positive, wenn auch komplementäre Eigenschaften zuschreiben.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die den Männern zugeschriebenen positiven Eigenschaften im Allgemeinen mit Leistungsvermögen und beruflichem Erfolg assoziiert werden, während ihre weiblichen Pendants laut landläufiger Meinung eher mit häuslichen Tugenden wie Fürsorglichkeit, Opferbereitschaft und Nachsichtigkeit glänzen. Überspitzt könnte man sagen: „idealtypische Frauen sind wunderbar – und daher für richtige Arbeit ziemlich nutzlos“.

Gegenstand des Vortrags sind die Ergebnisse einer empirischen Studie zu den Auswirkungen positiver und negativer Geschlechtsstereotype auf die Karriereambitionen und Leistungsüberzeugungen hochqualifizierter Studierender in Japan. Wie erwartet zeigte sich, dass beide Formen von Sexismus mit niedrigeren Kompetenz- und Leistungserwartungen an Frauen sowie traditionelleren Familienmodellen assoziiert sind. Ebenso erkannten sowohl männliche als auch weibliche Teilnehmer beide Spielformen von Sexismus in entsprechend modifizierten Jobangeboten. Interessanterweise wurden die eindeutig sexistischen Angebote für Frauen jedoch nicht als weniger attraktiv empfunden, solange es sich dabei um eine positive Spielform des Sexismus handelte, bei der die Kompetenz weiblicher Kandidatinnen zwar massiv in Frage gestellt, gleichzeitig in ihrer Bedeutung jedoch durch vom Arbeitgeber in Aussicht gestellte Unterstützung und Nachsicht relativiert wurde.

Unterm Strich bedeutet dies, dass die Teilnehmerinnen der Studie offensichtlich kein Problem mit traditionellen Geschlechterstereotypen und Rollenverteilungen haben, so lange diese Rollenverteilung ihnen Schutz vor allzu hohen Leistungserwartungen bietet. Die Implikationen dieser Ergebnisse für die japanische Arbeitsmarktpolitik der „leuchtenden Frauen“ (輝く女性) werden am Ende des Vortrags mit dem Publikum diskutiert.

Dr. Tobias Söldner promovierte am Lehrstuhl für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema „Akkulturationsbedingte Persönlichkeits- und Werteveränderungen bei jungen Auswanderern in Japan, den USA und Deutschland“. Seit Februar 2014 forscht Herr Söldner am DIJ zu interkultureller Psychologie. Sein Forschungsinteresse konzentriert sich primär auf die Bedeutung des Faktors Kultur für Zusammenhänge, die in der europäisch/amerikanisch dominierten Psychologie oft (fälschlicherweise) als Universalien menschlicher Natur angenommen werden.

Dr. Tobias Söldner
Dr. Tobias Söldner

Im Anschluss findet die Eröffnung der Foto-Ausstellung von Stefan Speidel bei einem kleinen Umtrunk im Foyer statt.