Samstag, 12. April 2025, 10:30–16:30 Besuch des Lepra-Dokumentationszentrums (The National Hansen’s Disease Museum) und des Lepra-Sanatoriums Tama Zenshōen in Kiyose/Higashi Murayama-shi

Lepra oder Morbus Hansen ist eine chronische Infektionskrankheit, die durch Bakterien verursacht wird. Sie führt zu Hautveränderungen und schädigt Nerven. Lepra war einst weltweit verbreitet und als unheilbare Krankheit gefürchtet, gilt aber schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts dank einer Kombination aus verschiedenen Antibiotika als heilbar. Wird die Infektion frühzeitig erkannt, können Lähmungen und andere Folgeschäden vermieden werden. Dennoch erkranken weltweit jährlich immer noch mehr als 200.000 Menschen an dieser Krankheit, vornehmlich in armen Ländern mit schlechten Hygieneverhältnissen.

Über viele Jahrhunderte versuchten die Menschen mittels sozialer Ausgrenzung von Infizierten, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern und sich selbst zu schützen. In Japan dauerte diese Ausgrenzung sehr lange und war mit starker Diskriminierung verbunden. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg, als es bereits wirksame Medikamente gegen Lepra gab, setzte man die räumliche Ausgrenzung und Diskriminierung von (ehemals) leprös Erkrankten fort, beraubte sie ihrer Persönlichkeitsrechte (z.B. durch Zwangssterilisation) und internierte sie in „Sanatorien“, wo sie keinerlei Kontakt mit ihren Familien oder der Außenwelt haben durften. Erst 1996 wurde das sog. Rai yobōhō, das 1931 eingeführte „Gesetz zum Schutz vor Lepra“ abgeschafft, erst 2001 entschuldigte sich der japanische Staat offiziell bei den Opfern.

Als ein Zeichen der Wiedergutmachung wurde im April 2007 das neue The National Hansen’s Disease Museum eröffnet, mit dem Ziel, zur Aufklärung über die Krankheit, zur Wiederherstellung der Ehre der ehemaligen „Insassen“ und zur Überwindung von Diskriminierung und Vorurteilen beizutragen.

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Modell des Tama Zenshōen. Das ganze Areal ist von hohen Mauern bzw. Hecken umgeben. Links befand sich früher der Bereich für die Ärzte und das Pflegepersonal, rechts, nochmals durch eine Mauer getrennt, die Wohn- und Arbeitsbereiche der Patienten.

Das Museum steht am Rande des Sanatoriums Tama Zenshōen, das 1909 eingerichtet wurde und in dem zu Höchstzeiten (1943) 1.518 Menschen auf 350.000 m2 leben und sich verpflegen mussten. Nach der Öffnung des Sanatoriums war es den Bewohnern zwar gesetzlich möglich, sich an einem Ort ihrer Wahl niederzulassen, de facto blieben allerdings viele im Zenshōen wohnen, weil sie außerhalb weder Familie noch die finanziellen Mittel für ein selbständiges Leben hatten oder sie kehrten ernüchtert ob der anhaltenden sozialen Diskriminierung zurück. Im April 2024 lebten noch 95 Personen in dem Sanatorium, das Durchnittsalter betrug 88,5 Jahre. Die meisten von ihnen sind pflegebedürftig.

Landesweit gibt es immer noch 14 Sanatorien dieser Art, im Juli 2024 lebten dort immerhin noch ca. 810 Menschen. Auch wenn es heute keine Lepra-Fälle mehr in Japan gibt und abzusehen ist, dass die Bewohner in den nächsten Jahren das Zeitliche segnen werden, so sollte das Leid dieser Menschen und ihr Kampf für Achtung und Anerkennung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft nicht umsonst gewesen sein und in Vergessenheit geraten. Diese Menschen verdienen es, dass man sich mit ihrer Geschichte und ihrem Leben beschäftigt.

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Mehrere, sehr detaillierte Modelle von Zimmern und Gebäuden geben einen Eindruck vom täglichen Leben und von der räumlichen Enge. In der Regel teilten sich 7-8 Personen einen Raum, Ehepaare durften nur zusammenleben – in einem Raum mit 1-2 anderen Paaren – wenn sie sich sterilisieren ließen.

Wer sich auf den Besuch vorbereiten oder nachträglich mehr zu dem Thema erfahren möchte, dem sei der Roman Kirschblüten und rote Bohnen von Durian Sukegawa sehr empfohlen. Das Buch erschien 2013 in Japan unter dem Titel „An“ („Bohnenmus“), und 2016 in Deutschland in der Übersetzung von Ursula Gräfe im DuMont-Verlag. In Japan war das Buch ein Bestseller und wurde von Kawase Naomi 2015 als Beitrag für die Filmfestspiele von Cannes verfilmt (mit Kiki Kirin in der weiblichen Hauptrolle), wo er noch im gleichen Jahr Eröffnungsfilm in der Kategorie Un Certain Regard war. In der OAG-Bibliothek können Sie das Buch entleihen (Sign. 914 SUK).

Ablauf:
Zunächst treffen wir uns am Südausgang des Bahnhofs Kiyose, von dort geht es mit dem Bus in ca. 10 Minuten bis zum Dokumentationszentrum. Dieses besteht aus drei großen Ausstellungshallen:

  • in der ersten geht es um die Geschichte von Lepra in Japan,
  • in der zweiten, der größten Halle, werden alle Aspekte des Lebens in diesem „Sanatorium“ anhand von konkreten Gegenständen und anschaulichen Modellen dargestellt und
  • in der dritten sind künstlerische und literarische Werke zu sehen, die im Tama Zenshōen entstanden sind. Außerdem wird hier die Geschichte des Protests gegen die diskriminierende Gesetzgebung und des Kampfes um Anerkennung und Wiederherstellung der Persönlichkeitsrechte aufgezeigt.

Nach einer kurzen Einführung in die Thematik werde ich die wichtigsten Ausstellungsobjekte auf Deutsch erklären. Wer die Ausstellung lieber auf eigene Faust bzw. im eigenen Tempo sehen möchte und kein Japanisch kann, kann sich mittels Smartphone und QR-Codes die meisten Texte auf Englisch darstellen lassen.

Da die Ausstellung sehr inhaltsreich und das Thema komplex ist, ist mit einer Besichtigungszeit von mindestens zweieinhalb Stunden zu rechnen. Mittags werden wir eine Pause in dem Restaurant „Nagomi“ einlegen, wo es einfache japanische Gerichte und sehr schmackhaften Kuchen gibt. Eine Dame, die dort bedient, hat bei den Dreharbeiten zu dem Film „An“ mitgewirkt. Ob wir anschließend noch einmal zurück in die Ausstellung gehen oder über die Anlage des Zenshōen laufen, entscheiden wir vor Ort.

Zum Schluss folgt eine Begehung des weitläufigen Areals: es gibt um diese Jahreszeit viel Grünes und Blühendes, mehrere Tempel und Kirchen, Gedenkstätten, ehemalige Häuser etc. Die Bereiche, in denen noch heute Menschen wohnen, sind für Besucher nicht zugänglich.

Leitung: Maike Roeder

Wo?
The National Hansen’s Disease Museum in Higashi Murayama-shi
4-1-13 Aobachō Higashi Murayama-shi, Tokyo-to 189-0002
http://www.nhdm.jp/
Treffpunkt: Um 10.30 Uhr am Südausgang des Bahnhofs Kiyose,
an der Seibu-Ikebukuro-Linie. Von dort in 10 Minuten mit dem Bus „Richtung Bhf. Kurume/Nord-Ausgang“,
Ausstieg an der Haltestelle „Hansenbyō Shiryōkan“ (Dokumentationszentrum).

Die Anreise über den Bahnhof Shin-Akitsu an der JR-Musashino-Linie
ist ebenfalls möglich. Von dort in 10 Minuten mit dem Bus „Richtung Bhf. Kurume/Nord-Ausgang“,
Ausstieg an der Haltestelle „Zenshōen mae“.

Bitte geben Sie bei der Anmeldung über die OAG-Webseite auf jeden Fall an, falls Sie nicht zum Treffpunkt am Bhf. Kiyose kommen werden.

Wie viel?
Eintritt in das Museum: kostenlos
Mittagessen im Restaurant „Nagomi“ (auf dem Gelände) auf eigene Kosten

Leitung: Maike Roeder

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