Mittwoch, 26. September 2007, 19:00–20:30 Vorstellung japanischer Bestseller

Die Idee einer regelmäßigen Vorstellung von Bestsellern auf dem Sachbuchmarkt wurde geboren nach einem Gesprächskreis, auf dem Herr Schepers und Herr Saaler zwei Werke vorstellten, über die in Japan viel diskutiert wurde: Kokka no hinkaku (‚Die Würde des Staates’, inzwischen auch in englischer Übersetzung vorliegend) und das Buch des (Noch-)Premierministers Abe Shinzō, Utsukushii kuni e (‚Für ein schönes Land’).

Beide Bücher erschienen in einer sogenannten Shinsho-Reihe, die praktisch alle großen Verlage in Japan führen. Die Inhalte kreisen meist um gesellschafliche, historische oder kulturelle Themen.
Lebensratgeber, Kochbücher, Reiseführer findet man darunter nicht. Die Mehrzahl besteht aus populärwissenschaftlichen Schriften, in denen auch schwierige Themen dem allgemeinen Publikum verständlich dargeboten werden.

Shinsho zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie nah am Puls der Zeit sind und oft aktuelle gesellschaftsrelevante Themen wie Erziehungsreform, Ökologie, Vergangenheitsbewältigung etc. behandeln. Einen breiten Raum nehmen zweifellos die sogenannten Japandiskurse (Nihonjin-ron, Nihon-ron, Nihon bunka-ron) ein, in denen über die japanische Identität in Vergangenheit und Gegenwart gesprochen wird.
Die Bestseller der Shinsho-Reihen in den letzten Jahren haben fast immer die japanische Kultur und Sprache zum Gegenstand gehabt (wie z.B. das einen Japanischboom auslösende Nihongo renshū-chō, Notizen zur Übung des Japanischen, von Ōno Susumu, erschienen bei Iwanami shinsho 1999).

Die Vorstellung von Shinsho-Taschenbüchern zielt daher darauf ab, anhand von aktuellen Bestsellern, die in der Regel nicht in andere Sprachen übersetzt werden, Trends in der japanischen Gesellschaft aufzuzeigen und sie auch den der japanischen Schrift nicht mächtigen, in Tokyo lebenden Deutschen näherzubringen. Was die Veranstaltung nicht bezweckt, ist eine Buchempfehlung hinsichtlich einer hohen Qualität der vorgestellten Werke.
Es liegt in der Natur von Bestsellern, dass sie, weil für ein großes Publikum gedacht, oft nicht hohen literarischen, stilistischen und argumentativen Ansprüchen genügen und oft besser ungelesen blieben. Tatsächlich kann man auch die bei der ersten Veranstaltung vorgestellten Bücher nur bedingt als Bettlektüre empfehlen, doch als Indikator für gesellschaftliche Interessen haben sie ihre Existenzberechtigung. Es dürfte kein Zufall sein, dass die drei Werke dieser Büchervorstellung das ‚Japanische’ zum Thema haben, wenn auch jeweils aus unterschiedlicher Perspektive.

Die drei ausgewählten Werke waren unter den Top-Ten des ersten Halbjahres 2007.

Nummer 1 ist zwar kein Shinsho, sondern ein Hardcover, und überrascht durch seinen ungewöhnlichen Titel: Donkanryoku (‘Die Fähigkeit unsensibel zu sein’). Der Verfasser ist der Bestseller-Autor Watanabe Jun’ichi. Verkauft sich dieses Buch nur deshalb so gut, weil Ex-Premierminister Koizumi es öffentlich lobte und sich in seiner Politik von donkanryoku leiten ließ oder trifft der Inhalt womöglich den Nerv der Zeit? Frau Roeder stellt Ihnen dieses Buch vor.

66 Regeln für Frauen „vom Aussehen bis zum Lebensstil“ – keine neue Idee, ähnliche Ratgeber kommen seit langem regelmäßig auf den Markt. Doch Josei no hinkaku („Frauen mit Niveau“ oder „Würde der Frau“) hat sich vom Geheimtipp in den ersten Monaten nach Erscheinen zum Millionenseller entwickelt. Wie läßt sich der Erfolg gerade dieses Buches erklären? Mechthild Duppel-Takayama, Lektorin am Institut für Germanistik der Keio-Universität, stellt Josei no hinkaku vor und geht dabei der Frage nach, ob Japans Karrierefrauen die Weiblichkeit neu entdecken.

Matthias Pfeifer, Dozent an der Präfekturuniversität Shizuoka, stellt das dritte Buch vor. Es ist die Nummer 9 auf der Bestsellerliste, stammt von Hayasaka Takashi und heißt Sekai no Nihonjin jōku no shū (Japanwitze in der Welt). Das Buch ist keine reine Witzesammlung, sondern eine Vorstellung von Witzen, in denen entweder Japaner im Zentrum stehen oder zumindest vorkommen. Das Werk schließt an einen in den letzten Jahren beobachtbaren Trend an, in dem eine verzweifelte Suche nach einer gegen die Globalisierung Widerstand leisten könnenden, originären japanischen Kultur stattfindet.

Die Witze sind letzlich nur Vehikel für den Inhalt, als Vertreter ihres Genres sind sie von äußerst mäßigem Niveau und wohl kaum der Grund für den Erfolg des Buches. Als Witzesammlung ist das Werk daher nicht zu empfehlen, als Indikator für die japanische Psyche schon eher.