Mittwoch, 21. Juni 2017, 18:30–20:00 Peter Babucke: „Die Funktion der Börse als Wegbereiter eines stabilen Finanzsystemsam Beispiel der Tokyo Stock Exchange“

Tokyo Stock Exchange

Wenn man den Leitmedien seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008 und der darauffolgenden Finanzkrise Glauben schenken mag, wird „dem Börsianer“ gemeinhin allerlei angedichtet und meistens mit negativen Attributen versehen. Dass dabei „der Börsianer“ als effektheischender Oberbegriff nicht nur die Funktion der Börse absichtlich in Misskredit bringt, sondern auch die einzelnen Elemente, welche eine Börse ausmachen, über einen Kamm schert, scheint der schreibenden Zunft dabei ein vernachlässigbares Detail zu sein.

In Wirklichkeit obliegen einer Börse elementare Funktionen, ohne die unsere heutige Lebensqualität sicherlich nicht denkbar wäre. Angefangen mit der Kapitalbeschaffung über eine sogenannte Börsennotierung, damit innovative Firmen sicherstellen können, genügend Geldmittel zur weiteren Expansion zu erhalten, über den Handel, um faire Marktpreise nicht nur für Aktien, sondern auch für Farmerzeugnisse, Metalle und sogar gefrorenen Orangensaft öffentlich zu machen bis zur Handelsabwicklung, in der sichergestellt wird, dass Käufer und Verkäufer Geld und Ware zu den vorher festgelegten Konditionen austauschen, spielt die Börse eine essentielle Funktion in einer gesunden Marktwirtschaft. Nicht umsonst existieren in sozialistischen Planwirtschaften keine Börsen zur Festlegung fairer Marktpreise.

In den letzten beiden Dekaden hat sich die Börsenlandschaft selbst jedoch auch grundlegend verändert: das hektische Treiben auf dem Parkett, Menschenmengen, die sich offensichtlich auch im größten Chaos per Handzeichen exakt verständigen können, von Zigarrenqualm und Whiskyduft geschwängerte Händlerbars nach Marktschluss – all das ist seit einigen Jahren dem monotonen Surren von Großrechnern, Servern, riesigen Datencentern, Unterseekabeln und Mikrowellenübertragungsantennen gewichen. Die Institution im Mittelpunkt jeder gesunden Finanzwirtschaft hat sich zu einem Technologieunternehmen mit Finanzberatungsfunktion gewandelt.

Sind unter diesen Umständen die Primärfunktionen einer Börse noch gewährleistet oder hat sich die Börse selbst überholt? Ist die Börse in der heutigen Zeit immer noch Nutzen stiftend oder nur noch ein sentimentales Relikt aus alten Tagen? Welches Grundwissen über das Börsenwesen braucht man als Privatanleger heutzutage, um sich im Finanzdschungel zurecht zu finden und die schwarzen Schafe der Branche von den anerkannten Institutionen und Produkten zu unterscheiden? Und wie kann man dieses Grundwissen für sich selbst nutzen?

Peter Babucke ist Vice President im Clearing Department an der Tokyo Stock Exchange (TSE). Er hat einen Bachelor-Abschluss in Japanologie und Volkswirtschaftslehre von der Universität Tübingen sowie einen Master-Abschluss in Economics von der University of Hong Kong. Nach Stationen bei der Deutschen Lufthansa, bei Barclays Global Investors (jetzt Blackrock) und bei der Deutschen Börse AG/Eurex arbeitete er seit 2010 an der TSE im internationalen Vertrieb des Handelsmarktsegments, zuständig für die Bereiche Kassa- und Terminmärkte sowie Infrastruktur- und Marktdatenvertrieb. Seit 2015 ist Babucke in der Systementwicklung für die sogenannte Handelsabwicklung zuständig. Diese Rolle ermöglicht ihm als einem der wenigen Nichtjapaner einen intimen Einblick in die inneren Prozesse der japanischen Finanzwelt.

Info: http://www.jpx.co.jp/english/

Peter Babucke: Die Funktion der Börse