Mittwoch, 4. April 2018, 18:30–20:00 Prof. Dr. Klaus Antoni: „Naminoue – zum Verhältnis von Staat und Religion im ehemaligen Königreich Ryūkyū“

Bis zum Jahr 1879 stellten die Inseln der Ryūkyū-Kette ein ‒ zumindest nominell ‒ eigenständiges Königreich dar, das über fünfhundert Jahre hinweg Teil des chinesischen Tributsystems gewesen war. Zwar hatte der Inselbogen seine staatliche Unabhängigkeit de facto bereits im frühen 17. Jahrhundert zugunsten einer Doppelherrschaft Chinas und Japans (bzw. Satsumas) über das Königreich weitgehend eingebüßt. Doch verloren die Ryūkyūs erst mit der Annexion durch das kaiserliche Japan nach der Meiji-Restauration, und der anschließenden Etablierung der neuen Präfektur Okinawa, endgültig ihre politische und in vieler Hinsicht auch kulturelle Sonderstellung. Diese war in hohem Maße auf spezifischen religiösen Gegebenheiten gegründet, die dem einstigen Ryūkyū-Staat seine eigenständige Struktur und Basis verliehen hatten.

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Das sog. sēfa-utaki, die heiligste Stelle des alten Okinawa bzw. Ryūkyū-Reiches.
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Ein Plakat zur Insel Kudaka, die in engstem Zusammenhang mit dem sēfa-utaki steht und den Herkunftsort der Menschen von Okinawa/Ryūkyū darstellt.
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Die Realität des heutigen Naminoue-Schreins in Naha, den man mit einer riesigen Autobahn zugebaut hat (meistens wird diese auf den Fotos herausgeschnitten …)
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Die recht neu gestaltete Haupthalle des Naminoue-Schreins.
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Das Innere des rekonstruierten Shuri-Schlosses und damit das Zentrum des alten Chūzan-Königreiches
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Naminoue ohne Autobahn.

Der Vortrag befasst sich mit dem besonderen Verhältnis von Staat und Religion im Königreich Ryūkyū und wird dabei ein spezielles Gewicht auf die Mythen und Legenden legen, die der traditionellen Herrschaft Ryūkyūs als geistige und legitimatorische Basis zugrunde lagen. Einen geografischen Ort, an dem viele dieser staatlich-religiösen Entwicklungen ihren Kulminationspunkt gefunden haben, stellt das Gebiet um den heutigen Naminoue-Schrein in Naha dar, dem die besondere Aufmerksamkeit des Vortrags gilt. Damit werden auch überlieferte Relikte sowie moderne, bzw. sehr aktuelle Entwicklungen im Kontext der religiösen Ideenwelt des ehemaligen Königreiches Ryūkyū thematisiert.

Klaus Antoni, geb. 1953, ist Japanologe mit kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Seit 1998 hat er den Lehrstuhl für Japanologie (Kulturwissenschaft) am japanologischen Seminar der Universität Tübingen inne. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Geistes- und Religionsgeschichte Japans; insbesondere geht er der Frage nach dem Verhältnis von Religion (Shintō) und Ideologie im Kontext der japanischen Geistesgeschichte nach. Darüber hinaus befasst er sich mit japanologischer Kulturtheorie, Erzählforschung sowie den historischen und aktuellen Beziehungen Japans zu Asien. Hier wird sein künftiges Interesse vermehrt der (Geistes-) Geschichte des ehemaligen Königreiches Ryūkyū gelten.