Mittwoch, 16. Oktober 2019, 18:30–20:00 Prof. Dr. Peter Pantzer/Dr. Nana Miyata: „Österreichs erster Handelsdelegierter in Japan. Das Japan-Tagebuch von Karl Ritter von Scherzer 1869“

I. Historisch-politischer Teil (Peter Pantzer)
Österreich-Ungarn kam sehr spät, nämlich erst 1869 nach Japan. Die ersten westlichen Mächte hatten ihre Freundschafts- und Handelsverträge bereits 1858 abgeschlossen, Preußen 1861 und die Schweiz 1864. Das Problem für die österr.-ungar. Monarchie waren „außenpolitische“ Gründe. Karl von Scherzer hatte – wegen der Baupläne des Suez-Kanals – Triest als den künftigen Welthandelshafen im Auge, wenn sich die Dinge nur so gedeihlich entwickeln wollten, wie gewünscht. Aber in den folgenden Jahren war kein Schiff der k.u.k. Kriegsmarine abrufbar!

1868 war es dann aber so weit! Der für die Wirtschaft zuständige Handelsdelegierte von Scherzer schrieb während seiner Reise ein sehr ausführliches Tagebuch, dessen Original am Geographischen Institut Leipzig verwahrt wird. Scherzer fuhr mit der Fregatte Donau in den Fernen Osten in Begleitung honoriger Beamter, sowie eines Fotografen und dessen Adlatus – ein steirischer Bursche, namens Michael Moser (s. den Vortrag am 23. Oktober).

In Japan findet sich die Donau freilich nicht als einsamer Vertreter des Westens ein. Über ein Dutzend Länder waren schon vor Ort. Die Hilfe des Preußischen Gesandten Brandt nahm Österreich-Ungarn nicht an. Die Kooperation mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien erwies sich als fruchtbringender. Innerhalb von zehn Tagen wurde 1869 der bis dahin beste Vertrag mit Japan abgeschlossen. Das wiederum nützte wegen der Meistbegünstigungsklausel auch den bisherigen ausländischen Mächten.

Eine Besonderheit war die Stellung des österreichich-ungarischen Gesandten Anton Freiherr von Petz. Er war ein Admiral, so wie Commodore Perry, und kein Diplomat. Aus Kostenersparnis. Zwei Ämter, ein Gehalt. In Personalunion Kommandant der Expedition und (neben Tegetthoff) als Sieger der Seeschlacht von Lissa 1866 Überbringer des persönlichen kaiserlichen Beglaubigungsschreibens. Seine amtlichen Berichte wurden – natürlich unter seiner Kontrolle – von einem Kanzlisten verfasst, zeitnah nach Wien geschickt und in mehreren Zeitungen veröffentlicht.

Daher war Karl von Scherzer – er fungierte als „Erster Beamter“ – wohl nicht „standesgemäß“, aber hinsichtlich seines Wissens und seiner Erfahrung die wichtigste Person. Die Expedition war auch ausgestattet mit Exponaten für eine Handelswaren-Ausstellung in Yokohama und – mit Geschenken …

II. Ein Klavierkonzert vor dem sechzehnjährigen Tennō Mutsuhito (Nana Miyata)
Es war immer üblich – damals wie heute – Geschenke mitzubringen. Aber dass am Kaiserlichen Hof ein Konzert gegeben wurde, war neu. Neben der lebensgroßen Marmorstatue von Kaiser Franz Joseph, einem Ölbild, zwei riesengroßen Glasschalen aus Böhmen und zwei prächtigen Sattelzeugen für Pferde gab es noch ein ganz besonders Geschenk, nämlich einen auf der Weltausstellung in Paris 1867 gezeigten Bösendorfer-Flügel. Dieses Klavier hatte trotz einesTaifuns und der ein Jahr dauernden Seereise erstaunlicherweise keinerlei Schaden genommen.

Eigentlich war das Klavier der Kaiserin gewidmet. Aber die junge Kaiserin lebte damals noch in Kyoto und war nicht nach Tokyo übersiedelt. Weil dieses Musikinstrument neu war, nannte man es auf Japanisch eine „europäische Koto“ (Yōkin 洋琴). Nach der Besichtigung der Geschenke bat die japanische Seite, dem jungen Kaiser unter Anwesenheit einiger Hofadeliger ein Klavierkonzert zu geben.

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Eugen Freiherr von Ransonnet, der die Expedition eigentlich als Wissenschaftler begleitete, war auch ein hervorragender Klavierspieler und Zeichner. In seinem Tagebuch hat er den Ort des Vorspiels genau skizziert und alle Musikstücke aufgelistet, die er dem jungen Kaiser vorgespielt hat. Nach drei Stücken soll der junge Kaiser ihn gebeten, weiter zu spielen. So fand das erste westliche Konzert am Hofe statt.

Peter Pantzer ist emeritierter Professor an der Universität Bonn, Schwerpunkt Geschichte und Kultur Japans; lebt in Wien. Private Webseite: Japonisme Collection.

Nana Miyata studierte Japanologie, Sinologie und vergl. Religionswissenschaft an der Universität Bonn; M.A. 2007, Promotion 2012. 2015 erwarb sie ihren weiteren M.Sc. an der Universität in Edinburgh; Schwerpunkt Religion, Geschichte und Kultur Japans; in Wien Gastwissenschaftlerin an der Österr. Akademie der Wissenschaften, z.Zt. Wiss. Mitarbeiterin des Museums des Schlosses Steyregg in Österreich.

Anlässlich des Jubiläumsjahres und der Herausgabe der Tagebücher von Scherzer als OAG-Publikation findet nach den beiden Vorträgen mit Unterstützung der österreichischen Botschaft ein kleiner Umtrunk mit Buchvorstellung statt. Das Buch kann am Abend zu einem Sonderpreis von 2.500 (Mitglieder) bzw. 3.000 Yen käuflich erworben werden.

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Hinweis:
Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten wird die Ausstellung „The Beginning of Relations between Japan and Austria as seen through the lenses of photographers in the early Meiji period“ vom 19. Oktober bis 15. Dezember 2019 im Museum für die Geschichte des Minato-Bezirks zu sehen sein.

Anlässlich dieser Eröffnung werden die Vorträge von Peter Pantzer und Nana Miyata als Sonderkooperationspartner in der OAG gehalten.
Co-Veranstalter: Historiographisches Institut der Universität Tokyo
Kooperation: Österreichische Botschaft & Museum für die Geschichte des Minato
Bezirks Tokyo

JAPAN – AUSTRIA 1869-2019
Im Anschluss: Buchvorstellung bei einem Umtrunk. Verkauf des Buches zum Sonderpreis.