Mittwoch, 27. Februar 2013, 18:30–20:00 Vortrag von Anna Schrade (MA): Zwischen Fortschrittsglauben und Umweltbewusstsein: Umweltbewegungen in Japan der 1950er und 60er Jahre

Japan, ein Land ohne Widerstand?
Was gerne in den Medien und oft auch in anthropologischer Literatur so beschrieben wird, entspricht nur selten der Wirklichkeit. Die 1960er und 1970er Jahren waren geprägt von lokalen, sozialen Protestbewegungen, die oft denen in Europa oder den USA zeitlich vorausgingen.
Auch wenn die gegenwärtige Schwäche der Umweltbegung in Japan nur schwer darauf schließen lässt, waren es vor allem Aktionen im Bereich des Umweltschutzes (u.a. gegen Luftverschmutzung, Dammbau und Atomkraftwerke), in denen sich Japaner aller Schichten seit den späten 1940er Jahren engagiert haben.

Der Vortrag wird aufzeigen, dass sich schon in den frühen Nachkriegsjahren Widerstand gegen die massive Umweltverschmutzung geregt hat, und dass sich auch während des wirtschaftlichen Booms der 1960er Menschen zwischen Kyushu und Hokkaido gegen die ‘economy-first’-Politik der Regierung gestellt haben. Interessant ist dabei, dass in großem Maße Hausfrauen auf die lokale Politik Einfluss genommen haben, was dem Bild der politisch desinteressierten, häuslich verankerten Frau widerspricht. Dies wird u.a. am Beispiel der Frauenverbände in der Stadt Kitakyushu aufgezeigt, welche schon im Jahre 1950 in Eigenregie Studien zur Luftverschmutzung betrieben haben und erfolgreich ortsansässige Großfirmen zur Installation von Filtern bewegen konnten.

Diese sowie weitere Beispiele sollen aufzeigen, dass die traditionalle Historiographie überholt ist, welche Umweltbewegungen als von Männern dominierte Protestkultur der späten 1960s und 1970er Jahre betrachtet. Durch den bislang oft vernachlässigten Fokus auf die frühen Nachkriegsjahre im Bezug auf soziale Bewegungen soll verdeutlicht werden, dass in Japan weitaus mehr soziale Spannungen vorhanden waren als oft angenommen, sowie dass sich hunderttausende von Menschen in lokalen Protestbewegungen gegen die Wirtschaftspolitik der Zentralregierung gewehrt haben.

Nach dem Studium der Europäischen Kulturgeschichte (BA) und der Europapolitik (MA) widmete sich Anna Schrade der Geschichte und Politik Japans (MSc Oxon.) und hofft, gegen Ende dieses Jahres zum Doktor der Geschichte an der Universität Oxford promoviert zu werden. Zur Zeit befindet sie sich zu einem Vorschungsaufenthalt an der Universität Tokyo.