Mittwoch, 28. November 2012, 19:30–21:00 Prof. Dr. Christian Dimmer: „Japan im Spannungsfeld zwischen raschem Wiederaufbau und nachhaltigem Umbau“

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Seit dem 11. März 2011 ist oft die Rede von einer Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, dem darauf folgenden verheerenden Tsunami sowie der nuklearen Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima, die den ländlichen Nordosten Japans völlig unvorhergesehen verwüstete.

So naheliegend diese Sichtweise auch ist, übersieht sie doch, dass die betroffenen Landesteile bereits seit Jahrzehnten von schleichenden demographischen Schrumpfungs- und Abwanderungsprozessen, Zersiedelung und einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandel geprägt waren. Der Vortrag beschreibt daher zunächst die komplexen Herausforderungen der Stadt- und Regionalplanung, die sich daraus ergeben, einerseits möglichst rasch die verwüsteten Landstriche in den Zustand vor ihrer Zerstörung zurückzuversetzen, aber andererseits auch den Wiederaufbau zu nutzen, um die bereits lange bekannten tiefgreifenden Strukturprobleme ganzheitlich zu bewältigen.

Verkompliziert wird die Aufgabe dabei durch die enorme flächenmäßige Ausdehnung des Katastrophengebiets, den sehr unterschiedlichen topographischen und sozio-ökonomischen Gegebenheiten der betroffenen Gemeinden in den Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima, sowie der Art und des Ausmaßes der Zerstörungen.

Es sind aber nicht nur diese physischen Rahmenbedingungen, die die Katastrophe in Tohoku von der in Kobe 1995 unterscheiden und den Wiederaufbau behindern, sondern auch ein gewandeltes Verständnis über das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft sowie zwischen Zentralregierung einerseits und Präfekturen und Kommunen andererseits. All diese Faktoren machen es augenblicklich sehr schwer, nachhaltige und umfassende Zukunftsvisionen in intensiver Zusammenarbeit mit den Bürgern zu entwickeln.

Christian Dimmer, PhD Studium der Raum- und Umweltplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern. Assistenzprofessor an der Universität Tokyo, wo er auch im Fachbereich Städtebauwesen promovierte (Urban Design Lab, Tokyo University). Als Post-Doktorand und Stipendiat der Japan Society for the Promotion of Science (JSPS) war er Mitarbeiter am interdisziplinären Fachbereich ‚Interfakulty Initiative in Information Studies’ der Universität Tokyo und forschte über „die Politik des öffentlichen Raums“.

Als städtebaulicher Berater arbeitete er mit Architekturbüros wie Arata Isozaki & Associates zusammen sowie mit Immobilienentwicklern wie Mitsubishi Estate. Er ist Mitbegründer der Tokyoter Ortsgruppe der gemeinnützigen Hilfsorganisation Architecture For Humanity wie auch des Tohoku Planning Forum und unterrichtet Kurse in nachhaltigem Städtebau, Theorie des öffentlichem Raum, Metropolen im Globalisierungsprozess sowie Planungstheorie an der Waseda-Universität.