Mittwoch, 7. November 2012, 18:30–20:00 Prof. Dr. Martin Kaneko: „Verzerrung der japanischen Judenpolitik durch Nationalisten und Revisionisten“

Im Umgang mit der eigenen jüngeren Geschichte haben sowohl die japanische Regierung, allen voran das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft, Gruppen wie der „Verein zur Verfassung neuer Schulbücher“ (Atarashii rekishi kyōkasho o tsukuru kai, gegr. 1996), die ultranationalistische „Japan Konferenz“ (Nippon kaigi, gegr. 1997) oder die xenophobe „Bürgerinitiative gegen Privilegien der in Japan lebenden Ausländer“ (Zainichi gaikokujin no tokken o yurusanai shimin no kai, gegr. 2007 ), als auch ein erheblicher Teil der Bevölkerung größte Schwierigkeiten. So etwas wie §130 StGB (Volksverhetzung) existiert im japanischen Rechtswesen nicht und somit bleibt fast jede Meinungsäußerung salonfähig.

Um japanische Kriegsverbrechen zu negieren oder zu verharmlosen, fanden Nationalisten und Revisionisten seit den späten 1990er Jahren ein neues Argument: nämlich die „Judenfreundlichkeit“ der japanischen Kriegsregierung. Insbesondere drei Argumente sollen diese Behauptung untermauern.

1. Erteilung von japanischen Transitvisa an jüdische Flüchtlinge durch Vizekonsul Sugihara Chiune in Kaunas/Litauen (Juli bis August 1940).

2. Von der „Fünf-Minister- Konferenz“ vereinbarten „Richtlinien für die Behandlung von Juden“ (Dezember 1938).

3. „Zwischenfall von Otpor“, also die Aufnahme von 20.000 bis 30.000 deutsch-jüdischen Flüchtlingen in der „Mandschurei“ (März 1938).

Japans Nationalisten und Revisionisten, die obige Argumenete vorbringen, erhalten dabei auch Beihilfe von westlischen Berufsgenossen. Anhand von Primärquellen soll die Glaubwürdigkeit obiger Behauptungen kritisch untersucht werden.

Martin Kaneko, habilitiert für „Japanologie mit Schwerpunkt Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Japans“ an der Universität Wien im März 1992, gegenwärtig Professor für Sozialgeschichte an der Japan Women’s University.