Donnerstag, 9. November 2017, 18:30–20:00 Arne Klawitter: „Die Zeichenwelten des chinesischen Künstlers Xu Bing“

Xu Bing II
Book from the Sky (1987-1991), detail of one set (four volumes) of hand-sewn thread-bound books printed from woodblock and wood letterpress type using false Chinese characters, each volume 46 x 30 cm (closed). Courtesy Xu Bing Studio.

Seit der ersten Ausstellung seines Buch des Himmels (Tianshu) im Jahre 1988 in Peking haben Xu Bings (geb. 1955) modifizierte Schriftzeichen nicht aufgehört, ihre Betrachter zu verwirren. Für sein monumentales Projekt erfand er ungefähr 4000 Zeichen, die gleichermaßen sowohl die Tradition als auch den Zeichencharakter der chinesischen Schrift hinterfragen. Das Ungewöhnliche an seinen Zeichenkonstrukten ist, dass ihnen keinerlei Bedeutung innewohnt. Gerade weil sie aber den realen chinesischen Zeichen zum Verwechseln ähnlich sehen, setzen sie den Betrachter in Erstaunen und bringen ihn dazu, seine überkommenen Lese- und Wahrnehmungsgewohnheiten zu überprüfen. Die nach der Emigration in die USA entwickelte Square Word Calligraphy (1994) wiederum irritiert dadurch, dass die scheinbar chinesischen Zeichen erst als lateinische Buchstaben lesbar werden und in englischer Sprache einen Sinn ergeben. Der Vortrag bietet einen Einblick in die vielschichtige Zeichenwelt des chinesischen Künstlers Xu Bing, untersucht die Rolle des Unlesbaren und erläutert den Aufbau und die Funktion der west-östlichen Hybridzeichen, um schließlich deren ästhetische Resonanz vor Augen zu führen.

Arne Klawitter ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Waseda Universität in Tokyo. Er forscht u.a. zur deutschsprachigen Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts, zur Literaturtheorie und vergleichenden Ästhetik. In seiner Habilitation Ästhetische Resonanz (2015) untersucht er die Präsenz und Funktion chinesischer Schriftzeichen in der deutschen Literatur- und Wissenschaftsgeschichte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert und fragt, welche Inspirationen die deutschsprachige Literatur aus der Begegnung mit diesen Schriftzeichen und poetischen Formen erhalten hat.

Im Anschluss an den Vortrag findet um 20.00 Uhr die Eröffnung der Ausstellung von Lore Heuermann bei einem kleinen Umtrunk im Foyer statt.