Vorträge
Mittwoch, 24. April 2013, 18:30–20:00 Vortrag von Prof. Dr. Peter Zieme:
„Zu den Ursprüngen von Höllenvorstellungen im japanischen Buddhismus“
Der Kreislauf der Existenzen ist eine indische Grundidee, die auch im Buddhismus
fortbesteht. Den fünf Existenzformen (Höllenwesen, Hungergeister, Tiere, Menschen,
Götter) wurden die Asuras als eine sechste, meist zwischen Menschen und Göttern,
hinzugefügt. Buddha erkannte, dass man, will man das Leiden überwinden, diesen
Kreislauf verlassen muss. Doch dienten und dienen zur Ermahnung und zur Erbauung
in mündlicher und schriftlicher Tradition Beispiele aus allen Existenzformen.
Aufbauend auf den Höllenvorstellungen des Buddhismus und unter Einbeziehung der
Überlieferung über den Todesgott Yama (jap. Emma) entstand im chinesischen Milieu
im 9. Jahrhundert ein Traktat über die Zehn Könige der Unterwelt, der den Kurztitel
Shiwangjing (jap. Jūōkyō) trägt. Nach dem Tod müssen die Wesen den Gang durch
die zehn Gerichtshöfe antreten, an dessen Ende die neue Existenzform, abhängig von
den Taten (Karma), festgelegt wird. An einem der bedeutendsten Knotenpunkte der alten
Seidenstraße, in Dunhuang, entstanden, breitete sich dieser 14 Bildtafeln erläuternde
Text, in den Verse (Gāthās) eingestreut sind, sehr rasch aus und erfreute sich großer
Beliebtheit, wie zahlreiche aus dem 10. Jahrhundert stammende Prachtrollen aus
der „Verschlossenen Bibliothek“ zeigen.
Zeitnahe wurde dieses populäre manga-artige Werk, das nie kanonisiert wurde, in das Altuigurische,
die Landessprache des Westuigurischen Königreichs (9.-14. Jahrhundert) übertragen, begleitet von
den von Uiguren nachgestalteten Illustrationen. Während diese altuigurische Version durch die endgültige
Islamisierung Zentralasiens weitgehend zerstört und in Fragmenten erst durch japanische,
deutsche, englische und andere Zentralexpeditionen wiederentdeckt wurde,
setzte sich die Überlieferung des chinesischen Textes, wenn auch vom „hohen“ Buddhismus
mißachtet, fort bis zu den heutigen japanischen Mangas.
Prof. Dr. Peter Zieme arbeitete nach dem Studium der Iranistik und Turkologie an der Humboldt-
Universität zu Berlin (1960-1965) von 1965 bis 2007 an der Berliner Akademie
mit dem Schwerpunkt der Edition von alttürkischen Turfantexten, die Zeugnisse dreier
Weltreligionen (Buddhismus, Manichäismus, Christentum) in den zentralasiatischen
Oasen im Westuigurischen Königreich (9.-14. Jahrhundert) sind.