Freitag, 19. April 2013, 18:30–20:00 AK Film: Vortrag von Prof. Dr. Susanne Schermann: „Die Verwurstung von Ozu“

Der Film Rashomon (1951) von Akira Kurosawa machte den japanischen Film einem breiten westlichen Publikum bekannt, als er bei den Filmfestspielen von Venedig 1951 den Goldenen Löwen und im folgenden Jahr den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt. Die Einreichung zum Festival in Venedig erfolgte auf Initiative einer italienischen Journalistin, da die japanische Filmwirtschaft in der Nachkriegszeit absolut nicht auf Export eingestellt war. Der unerwartete Erfolg von Kurosawas Film aber veranlasste alle Produktionsfirmen, ihre Jidaigeki ins Ausland zu schicken, die dann oft die Preise absammelten (oft ungerechtfertigt, möchte man heute hinzufügen. Die schönen Kimonos und das fremdländisch-exotische Umfeld mögen dazu beigetragen haben.)

Von dieser Hype gänzlich unberührt blieb das Gendaigeki, also Filme, die den zeitgenössischen Alltag zum Thema haben, denn diese wurden als ungeeignet für den Export angesehen. Wie sollten denn Ausländer die japanische Wirklichkeit verstehen?

Diese Einstellung änderte sich nur langsam, vor allem unter dem Einfluß der Bücher von Donald Richie. 1977 erschien Richies Buch über Yasujiro Ozu (1903-1963), in der Folge wurden drei Ozu-Filme im Westen gezeigt, die zu einem regelrechten Ozu-Boom vor allem in Frankreich führten. Ob die Ausländer immer die japanische Wirklichkeit verstanden, sei dahingestellt – sie sahen aber etwas Neues, sicher auch Exotisches, das sie faszinierte.
In diesem Arbeitskreis wollen wir die Gründe für die Faszination, die Ozu ausübt(e), untersuchen, einige Epigonen betrachten und seine Filme auch im Kontext der japanischen Filmgeschichte zu verstehen versuchen, da man seinen Einfluß bis zum heutigen Tag nachweisen kann. Dazu sollen Auschnitte aus folgende Filmen gezeigt und diskutiert werden: Ozu Yasujiro: „Reise nach Tokyo” (Tokyo Monogatari, 1953); Ozu Yasujiro: „Der Herbst der Familie Kohayagawa“ (Kohayagawa-ke no Aki, 1961); Suo Masayuki: „Perverse Familie. Die Frau meines Bruders“ (Hentai Kazoku Aniki no Yomesan, 1984); Wim Wenders: Tokyo-Ga (1985) und Ichikawa Jun: „Geschwister von Tokyo“ (Tokyo Kyodai, 1995). 

Prof. Dr. Susanne Schermann, Kunststudium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, Studium der Filmwissenschaft an der Waseda-Universität, Tokyo. Doktorarbeit über das Werk des Filmregisseurs Mikio Naruse, publiziert unter dem Titel Naruse Mikio. Nichijō no kirameki (Mikio Naruse. Die Schönheit des Alltags) bei Kinema Junpo (1997, Neuauflage 2005). Seit 1999 Professur an der Meiji-Universität, Tokyo.

Leitung und Organisation: Prof. Dr. Reinold Ophüls-Kashima