Vorträge
Mittwoch, 3. Februar 2016, 18:30–20:00 Dr. Stefan Mäder: „Hokuto-Shichisei – Sieben Sterne des nördlichen Scheffels. Zur Geschichte und Vorgeschichte des Großen Wagensin Japan und dem Rest der Welt“
Indizien für die symbolische Wiedergabe des „Großen Wagens“, der wohl auffälligsten Sterngruppe am Nordhimmel, reichen in China bis in die Jungsteinzeit zurück. Seit der Han-Zeit (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) sind sie aus Grabzusammenhängen sowie u. a. auf Kultgerät und Waffen kontinuierlich bis ins 19. Jh. verbreitet. Dasselbe gilt für die koreanische Halbinsel.
Die vermeintlich frühesten Belege für die bildliche Wiedergabe des „Großen Wagens“ in Japan auf Schwertklingen, an der Decke der Grabkammer des Kitora-Kofun, Asuka, Nara-Präfektur, auf einer Schildkrötenskulptur im Shōsōin-Schatzhaus in Nara (alle um 700 n. Chr.) wurden bislang als kontinentale Einflüsse gewertet und kaum weiter untersucht.
In Japan kommt der „Große Wagen“ häufig auf Bestandteilen der kriegerischen Offensiv- und Defensivbewaffnung bis ins ausgehende 19. Jh. vor. Die charakteristische Anordnung von 4 Sternen/Punkten im ‒ teils verzerrten ‒ Viereck, kombiniert mit zwei bis drei Deichselsternen und einem Stern hinter dem Wagenkasten hat in Japan jedoch zeitlich wesentlich tiefer reichende Wurzeln, als bisher angenommen.
Anhand von seit 2009 neu entdeckten Indizien wird eine Schlüsselrolle japanischer Quellen für das bessere Verständnis sog. „megalithischer Kulturen“ der Jungstein- und Bronzezeit in Europa, Asien und Afrika aufgezeigt.
Als Sensation dürfen die weltweit verbreiteten Indizien für eine Datierbarkeit von in Stein geschlagenen Wiedergaben des „Großen Wagens“ anhand des astronomischen Phänomens der Präzession (in der Astronomie: Richtungsänderung der Erdachse) gelten: Aus Japan, China, der Schweiz, Italien (inkl. Sardinien), Frankreich, England, Irland, Dänemark und Schweden konnten vom Vortragenden Belege zusammengetragen werden, die den „Großen Wagen“ zusammen mit dem Stern Thuban/alpha draconis zeigen. Derselbe stand in einem Zeitraum von ca. 3200-2400 v. Chr. dem Himmelspol am nächsten. Diese Datierungen werden in mehreren Fällen durch naturwissenschaftliche Methoden bestätigt. Dies macht noch deutlicher, welches kulturgeschichtliche Potential in megalithischen Konstruktionen, Naturdenkmälern und den auf Großsteine Bezug nehmenden frühesten Schriftquellen Japans enthalten ist.
Stefan Mäder studierte Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, Keltologie und Mittelalterliche Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. und schloss dort 1996 mit dem Magister ab. 2001 promovierte er über einen kultur- und technikgeschichtlichen Vergleich frühmittelalterlicher europäischer und japanischer Schwerter. Insgesamt verbrachte er vier Jahre in Japan, forschte und unterrichtete an der Koku-gakuin Universität, der Tokyo National University of the Arts und an der Meiji-Universität.