Mittwoch, 25. Mai 2022, 18:30–20:00 Dr. Robert Maximilian Woitschützke: „‚Ein Haus für die Kunst der Zukunft …‘ Zur Wiedereröffnung des National Museum of Western Art in Tokyo“

OAG Tokyo Reihe

Das Nationalmuseum für Westliche Kunst in Tokyo beherbergt Asiens umfangreichste Sammlung europäischer und nordamerikanischer Kunstwerke und gehört zu Japans meistbesuchten Kunstmuseen. Architekturinteressierten ist es darüber hinaus als einziges Bauwerk des schweizerisch-französischen Baumeisters Le Corbusier in Ostasien bekannt. Zusammen mit 16 anderen Bauwerken des Architekten wurde es 2016 in den Katalog des UNESCO-Weltkulturerbes in der Kategorie „Das architektonische Werk Le Corbusiers“ aufgenommen. Seit Anfang 2020 war es aufgrund umfangreicher Renovierungsmaßnahmen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, die Wiedereröffnung nach über eineinhalbjähriger Schließung erfolgte am 9. April dieses Jahres.

Von Beginn an war das Museum in der Absicht erbaut worden, adäquate Ausstellungsräume für die nach Kriegsende durch Frankreich restituierte Sammlung des Industriellen Matsukata Kōjirō zu schaffen, einer Schlüsselfigur des japanischen Wirtschaftslebens der frühen Shōwa-Zeit und einem bedeutenden Sammler westlicher Kunst. Der Bau markierte bei seiner Eröffnung 1959 nicht weniger als den diplomatischen Neubeginn zweier vormals verfeindeter Staaten, wobei es ausdrücklicher Wunsch der französischen Seite gewesen ist, Le Corbusier für den Bau zu verpflichten. Das heutige Museum, ausgeführt von dessen japanischen Schülern Maekawa Kunio, Sakakura Junzō und Yoshizaka Takamasa, ist jedoch nur ein Teil eines weitaus größeren Kulturkomplexes, den Le Corbusier im Ueno-Park zu errichten gedachte. Gemäß Le Corbusiers ursprünglicher Absicht sollte das geplante Zentrum nicht weniger als einer „Synthese sämtlicher Künste“ den Weg bereiten. Damit bezog er sich auf frühere Museumsprojekte in anderen Teilen der Welt, etwa in den indischen Städten Ahmedabad und Chandigarh, aber auch auf das von ihm in den späten 1920er Jahren gemeinsam mit dem belgischen Organisationswissenschaftler und Visionär Paul Otlet erdachte „Mundaneum“.

Le Corbusier begriff seinen Auftrag zum Bau des japanischen Nationalmuseums für Westliche Kunst als eine einmalige Chance, seinen über Jahrzehnten verfeinerten und gereiften Ideen endgültigen Ausdruck zu verleihen – ein Unterfangen freilich, das unvollständig blieb. Von seinen großangelegten Plänen wurde nur das Hauptgebäude errichtet, ein Bau, der gewissermaßen wie die sichtbare Spitze eines Eisberges lediglich den sichtbaren Teil eines darunter liegenden komplexen Gedankengebäudes bildet.
Robert Woitschützke, seit 2019 am Nationalmuseum für Westliche Kunst tätig, geht in seinem Vortrag auf die weniger bekannten Aspekte der corbusierschen Pläne ein und stellt dessen unrealisierte Ideen vor.

Dr. Robert Maximilian Woitschützke (geboren 1988) promovierte 2018 am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn mit einer Arbeit zu Le Corbusier. 2019 ging er im Rahmen eines Stipendiums der Japan Foundation nach Tokyo, wo er seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am von Le Corbusier errichteten Nationalmuseum für Westliche Kunst (NMWA) sowie als Invited Researcher an der Tokyo University of Science tätig ist. Neben seiner Arbeit an einer umfassenden Publikation zur Geschichte des NMWA, die voraussichtlich Mitte 2022 in Japan publiziert wird, war er an der wissenschaftlichen Erschließung der „Sammlung Taisei“ beteiligt, einer bedeutenden Privatsammlung von Gemälden und Zeichnungen Le Corbusiers. Am 9. April eröffnete die von ihm erarbeitete Ausstellung „Towards Harmony: Le Corbusier and the Art of the Second Machine Age“ mit Werken eben dieser Sammlung im NMWA. Zu Dr. Woitschützkes weiteren Publikation zählen u.a. Beiträge für das Museum Folkwang Essen und DOCOMOMO International.

Exkursion zum Vortrag am Samstag, den 4. Juni 2022, 10.00 bis ca. 12.00 Uhr
Herr Woitschützke bietet zunächst eine Einführung in die Architektur des Hauses. Anschließend führt er uns durch das Museum selbst und durch die von ihm kuratierte Ausstellung.
Der Vortrag ist nicht Voraussetzung für die Teilnahme an der Exkursion!