Mittwoch, 12. Januar 2022, 18:30–20:00 Claudia Marra: „Nagasaki Hata – die Stadt und ihre Drachen“

Die in Nagasaki beliebten, auf polynesischen Einfluss zurückgehenden Kampfdrachen, sind aufgrund ihrer historischen Verbindung zur Niederländischen Ostindien-Kompanie üblicherweise in den Farben der holländischen Flagge blau, weiß und rot gehaltenen, und heißen deshalb Hata, was wörtlich übersetzt „Flagge“ bedeutet.

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In der Werkstatt von Herrn Ogawa, Nagasaki

Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, lockten Hata-Wettkämpfe große Menschenmengen an: Das Vergnügen beim Bau eines Drachen, das Verfolgen spektakulärer Flugmanöver und spannender Zweikämpfe, die Aufregung bei der Jagd nach abstürzenden Hata, aber auch die Angebote von Wetten, Imbissbuden, Händlern, Akrobaten usw. ließen Groß und Klein auf ihre Kosten kommen.
Hergestellt aus Bambus, Schnur und Washi-Papier, entstanden im Laufe der Zeit mehr als 500 verschiedene Designs, von denen jedoch leider mehr als die Hälfte durch den Atombombenabwurf verloren gingen. Auffallend sind die Schlichtheit und der hohe Abstraktionsgrad bei der Gestaltung, durch die sich Hata von allen anderen japanischen Drachen unterscheiden.

Obwohl ihre Ikonografie auf den ersten Blick eher unspektakulär erscheint, zeigt eine Analyse des Gesamtkorpus, dass die Drachen über kommunikative Eigenschaften verfügen, die ihnen im streng kontrollierten Stadtleben der Edo-Zeit und darüber hinaus eine immense Bedeutung verliehen.
Gut sichtbar, aber dabei von der Obrigkeit schwer zu kontrollieren, ermöglichten Hata es einfachen Bürgern, heimlichen Liebhabern, Geschäftsleuten, Handwerkergilden, und sogar versteckten Christen, sich auszudrücken und frei miteinander zu kommunizieren. Während der Hata-Flugsaison wurde der Himmel so zu einer Leinwand für die Bürger.
Wie und was „geflaggt“ wurde, soll Gegenstand dieses Vortrags sein.

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Hata in allen Größen in der Werkstatt von Herrn Ōkubo

Claudia Marra studierte Germanistik und Japanologie an der Ruhr-Universität Bochum.
Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in Japan und ist Professorin an der Faculty of International Communication an der Nagasaki University of Foreign Studies. Forschungsschwerpunkte: Geistesgeschichte, Ästhetik, Buddhismus (Ōbaku Zen) und Geschichte der Stadt Nagasaki in der Edo-Zeit. Veröffentlichungen: Fucha Ryōri – the monastic cuisine of the Ōbaku-shū; Ōbaku’s Shōfukuji-temple; The Influence of Chinese Thought on Ōbaku Zen Buddhism: About the discovery of “internal organs” hidden inside the seated Shakyamuni statues of Nagasaki’s Kōfukuji and Shōfukuji temples; Haibutsu Kishaku; Through Hanjimono to Enlightenment – The Pictural Heart-Sūtra 般若絵心経; „Iconographie des Hata de Nagasaki“ In: Cecile Laly (Hg.): Cerfs-volants du Japon : à la croisée des arts.

Video-Mitschnitt

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Neujahrs-Hata aus der Werkstatt von Herrn Ōkubo als Dekoration für das Jahr des Tigers 2022
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Noch mehr Tigerjahr-Hata von Herrn Ōkubo
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Dekoration in einer Buchhandlung in Nagasaki
Aufruf zur Einhaltung der Hygiene-Regeln.
Hata-Motivposter im Rahmen der Anti-Corona Kampagne der Stadt Nagasaki