Montag, 14. Februar 2022, 19:30–21:00 Stephan Thome: „Die Insel zwischen China und Japan – Über Taiwans multiple Identitäten“

Taiwan ist die zweite Heimat des Schriftstellers Stephan Thome und der Schauplatz seines jüngsten Romans Pflaumenregen. Beginnend in den 1940er Jahren zeichnet der Autor über drei Generationen hinweg das Porträt einer taiwanischen Familie, deren Mitglieder den Wechselfällen der Geschichte auf je unterschiedliche Weise ausgesetzt sind. Bis 1895 gehörte die Insel Taiwan zum chinesischen Kaiserreich, anschließend wurde sie für fünfzig Jahre von der Kolonialmacht Japan regiert, ehe nach dem Pazifikkrieg das vom Festland vertriebene Regime Chiang Kaisheks dort einen autoritären Polizeistaat errichtete. Nicht weniger als vierzig Jahre lang stand Taiwan unter Kriegsrecht! Von den Japanern erst zögerlich, dann nachdrücklich japanisiert, wurde die Bevölkerung nach 1945 teils gewaltsam re-sinisiert und konnte erst in jüngster Zeit eine eigene – intern umstrittene und von der Volksrepublik China heftig bekämpfte – taiwanische Identität ausbilden.

Von all dem erzählt Thomes Roman, den er im Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Professor Dr. Andreas Becker von der Keiō-Universität Tokyo vorstellt. Auf welche Weise prägt die stürmische Geschichte der Insel bis heute die Identität(en) der dort lebenden Menschen? Wie wirkt insbesondere die japanische Kolonialzeit nach, und wie geht das demokratische Taiwan mit ihrem Erbe um? Welchen Anteil an Taiwans nationaler Identität haben die oft übersehenen indigenen Völker der Insel? Diese und andere Fragen sollen im Verlauf der neunzigminütigen Veranstaltung erörtert werden; durch die Lesung einzelner Romanabschnitte, den Dialog beider Gesprächsteilnehmer und die Fragen des Publikums.

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Stephan Thome, geb. 1972, hat in Berlin Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie studiert und jeweils einjährige Studienaufenthalte in China, Taiwan und Japan absolviert. Nach der Promotion im Fach Philosophie arbeitete er mehrere Jahre lang an verschiedenen Forschungseinrichtungen in Taiwan, seit 2011 ist er freier Autor. Seine im Suhrkamp Verlag erschienenen Romane Grenzgang (2009), Fliehkräfte (2012) und Gott der Barbaren (2018) standen auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. 2021 erschienen der Roman Pflaumenregen sowie im Piper Verlag die Gebrauchsanweisung für Taiwan. Stephan Thome lebt in Taipei.

Andreas Becker
, Dr. phil. habil., Film und Medienwissenschaftler, Assoc. Prof. an der Germanistik der Keiō-Universität Tokyo (seit 2016). 2014–2016 Eigene Stelle als Leiter des DFG-Projekts Yasujirō Ozu und der westliche Film. 2018 Habilitation zu Yasujirō Ozu, 2003 Promotion zur Zeitraffung und Zeitdehnung im Film. Publikationen: Yasujirō Ozu, die japanische Kulturwelt und der westliche Film (transcript 2020); Christian Petzold (Hg., edition text + kritik 2022, im Erscheinen); Gefühl und Alterität II (Büchner-Verlag, 2022, im Erscheinen). Forschungsschwerpunkte: Der japanische und der westliche Film, komparative Ästhetik und Phänomenologie des Films, Zeitdarstellung im Film und in den Medien.
Homepage: zeitrafferfilm.de.

Dies ist eine gemeinsame Veranstaltung der Germanistik der Keiō-Universität (Reihe: Im Apparat) und der OAG
im-apparat.de/programm
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