Mittwoch, 19. Oktober 2016, 18:30–20:00 Sophia Anastasia Latsos: „Mehr Geld und doch weniger Lohn – Japanische Geldpolitik und ihre Umverteilungseffekte“

Vortrag Sophia Anastasia Latsos: „Mehr Geld und doch weniger Lohn“

Bis dato galt in der Eurozone die sogenannte ultralockere Geldpolitik als eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Antworten auf den Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise 2009. Hierzu gehören vor allem unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen jenseits der Reduzierung des Leitzinses, bespielsweise der Ankauf von Staatsanleihen, welche die Versorgung der Märkte mit genügend Liquidität gewährleisten sollen. Allerdings wird die Europäische Zentralbank stark für diese Politik kritisiert. Teil der Debatte um die derzeitige Geldpolitik sind Warnungen von Wirtschaftswissenschaftlern, die auf reale Effekte einer dauerhaft lockeren Geldpolitik hinweisen. Hiermit sind beispielsweise negative Effekte auf Reallöhne gemeint: Trotz anhaltend lockerer Geldpolitik leiden Haushalte an Einkommenseinbußen. Da dieselbe Geldpolitik zugleich jedoch Vermögenspreise befeuert, welche somit wieder steigen, ergibt sich eine dringende sozialpolitische Frage. Ergeben sich aus der ultralockeren Geldpolitik eventuell Umverteilungseffekte?

Bei der Suche nach Antworten auf diese Frage tut sich Japan als Wegweiser für die europäische Geldpolitik auf. Tatsächlich betreibt die japanische Zentralbank seit 1999 eine anhaltend ultralockere Geldpolitik als „Krisentherapie“. Dennoch kürzen Firmen Kosten, indem sie sogenannte nicht-reguläre Arbeitnehmer, die nur etwa zwei Drittel der Löhne regulärer Angestellter beziehen, bevorzugt einstellen. Nominal- und Reallöhne sinken beständig, oder stagnieren im besten Fall; Vermögenspreise steigen hingegen wieder. Das Fallbeispiel Japan kann also dazu dienen, den Wirkungsmechanismus ultralockerer Geldpolitik auf Reallöhne und somit Einkommensumverteilung zwischen den (japanischen) Haushalten zu erkennen und zu erklären.

Die Frage nach Umverteilungseffekten ultralockerer Geldpolitik stellt ein für Wirtschaftswissenschaftlicher kontrovers diskutiertes Fachgebiet dar. Dennoch ist die wirtschaftspolitische Relevanz sowohl für die japanische als auch für die europäische Gesellschaft nicht von der Hand zu weisen. Somit ist ein Hinterfragen der aktuellen geldpolitischen Praxis unabdingbar.

Sophia Anastasia Latsos ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Verteilungseffekten expansiver Geldpolitik, insbesondere im Fallbeispiel Japan. Hierzu hat sie mehrere Forschungsaufenthalte in Japan absolviert und ist derzeit Stipendiatin des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) in Tokyo. Zuvor arbeitete Frau Latsos unter anderem bei der Europäischen Zentralbank in der Abteilung für außereuropäische wirtschaftliche Entwicklungen. Sie erwarb ihren Master of Science in Economic History an der London School of Economics und ihren Master of Science in Economics am University College London.