Mittwoch, 25. Oktober 2023, 18:30–20:00 Jane Khanizadeh: „Wie divers ist Japan? Die Verhandlung um nationale Zugehörigkeit während des Rugby World Cups 2019“

Internationale Sportveranstaltungen sind freudige Ereignisse. Die gastgebenden Länder sind im Vorfeld darum bemüht, mit ausgeklügelter Infrastruktur und Strategie für eine ausgelassene Stimmung zu sorgen. Menschen unterschiedlichster Herkunft kommen zusammen, um ihr Team oder ihre Athlet*innen anzufeuern. Dabei kommt es oft zu freundschaftlichen Begegnungen und transnationalem Austausch.
Solche Veranstaltungen haben auch immer eine politische Komponente und die gastgebende Nation kann sich auf internationaler Bühne in Szene setzen, was meist in pompösen Eröffnungsfeiern zum Ausdruck kommt. Gefeiert werden die eigene Kultur, Geschichte und Identität, und die dabei dargestellten nationale Symbole und Werte werden zu Marketingobjekten mit emotionaler Aufladung. Dieser als Nation Branding bezeichnete Prozess hängt oft eng zusammen mit den Diskursen um nationale Identität im Gastgeberland.
Doch Nation Branding ist keine Einbahnstraße. Durch die internationale Berichterstattung werden kulturelle Komponenten bewertet und in einen globalen Kontext gesetzt. Dies kann zu neuen Narrativen in der Verhandlung um nationale Identität führen.

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Auch in Japan finden diese Diskurse um nationale Identität statt, die traditionell von der Idee einer homogenen Gesellschaft geprägt sind. Die Komponente der Homogenität erschwert deutlich die Verhandlungen um nationale Zugehörigkeit zu Japan. Dem gegenüber steht das multiethnische Rugby-Team Japans, welches eine andere Wirklichkeit aufzeigt, in der Athleten unterschiedlicher Nationalitäten und ethnischer Herkunft zusammenkommen. Dies verdeutlicht die Spannung zwischen alten Annahmen und der Realität einer sich verändernden Gesellschaft, und diese Spannung belebt den Diskurs um nationale Zugehörigkeit in Japan. Wie findet dieser Diskurs statt? Was gilt in Japan als divers und wo treffen nationale und internationale Berichterstattung in Bezug auf die japanische nationale Identität aufeinander?

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Diese Fragen sollen im Kontext der Rugby-Weltmeisterschaft 2019 in Japan beantwortet werden. Die Brave Blossoms, Japans Nationalteam, haben während dieser Weltmeisterschaft sehr erfolgreich gespielt und wurden von vielen Japaner*innen frenetisch gefeiert. Nationale und internationale Medien berichteten aus Japan in die Welt und die Gesichter der multiethnischen Brave Blossoms waren sehr präsent. Auch dieses Jahr nehmen die Brave Blossoms an der Weltmeisterschaft in Frankreich teil und wieder ist Japan mit den Gesichtern der Nationalspieler plakatiert. Ob auf Getränkeautomaten oder auf Taxen, das Nationalteam ist weiterhin multiethnisch und sichtbar, und damit auch der Diskurs um nationale Zugehörigkeit.

Jane Khanizadeh ist Doktorandin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Während ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit Diskursen um nationale Identität im Zusammenhang mit internationalen Sportveranstaltungen. Zurzeit ist sie als Stipendiatin am Deutschen Institut für Japanstudien. In ihrer Feldforschung folgt sie den Spuren der Rugby-Weltmeisterschaft 2019 in Japan und blickt zugleich auf die Weltmeisterschaft 2023.

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