Mittwoch, 17. Mai 2023, 18:30–20:00 Dr. Wolfgang Herbert: „Zen – Psychotechnik oder Religion?“

“Zen. Peaceful shopping, mindful money” heißt eine App von Google, die bei einer kursorischen Internet-Suche unter dem Stichwort „Zen“ rasch auftaucht. Die Verbindung mit „mindfulness“, einer im Deutschen „Achtsamkeitspraxis“ benannten urbuddhistischen Meditationsmethode ist ebenso signifikant wie die Verbindung zum Kapitalismus. Ist der westliche Buddhismus die ultimative Ideologie des Spätkapitalismus, um die Geistesruhe im neoliberalistischen Wahnsinn zu bewahren, wie Slavoj Žižek meint? Ist Zen, so Žižek weiter, lediglich ein Instrument der Geistesschärfung, das zu jeden beliebigen, auch destruktiven Zwecken eingesetzt werden kann? “Mind fitness” heißt dies in einem Achtsamkeitsprogramm für das U.S. Militär, um es für das Schlachtfeld umso tauglicher zu machen.

Spätestens seit dem Buch Zen, Nationalismus und Krieg von Brian Victoria hat Zen seine Unschuld verloren. Zen wurde hingegen nicht nur in den von Japan geführten Kriegen in Dienst genommen. Zen für Manager nahm im Nachkriegsjapan seinen Ausgang und hat heute Silicon Valley erreicht. Ist Zen als geistiges Potenzmittel, Stressminderungsfaktor oder zur Selbstoptimierung noch Zen?
Zen, Nationalismus und Krieg von Brian Vicoria. Rezension von Gerhard Krebs

Der Referent versteht sich als agnostischer, phänomenologisch orientierter Religionswissenschaftler, der religiöse Erscheinungen respektvoll zu erfassen sucht in der Form, in der sie sich von selbst zeigen. In guter Tradition der philosophischen epoché (Zurücknahme) versucht er sich vorerst eines Urteils zu enthalten. Angesichts der Kommerzialisierung, Instrumentalisierung und Banalisierung des Zen gelingt ihm das nur leidlich. Im Rückgriff auf dessen historische Entwicklung und Rezeption (= Reduktion) im Westen und die ethischen Fundamente des Buddhismus versucht er vorsichtig und achtsam (!) Konturen zu ziehen. Dabei soll sich erweisen, wo die Benennung „Zen“ berechtigt ist und wo es als reines Marketingetikett nichts zu suchen hat. Die im Titel angesprochenen ambivalenten Spannungspole, zwischen die Zen aufgespannt ist, namentlich Psychotechnik und Religion, sollen gleichfalls gewichtet und charakterisiert werden. Vielleicht stellt sich die Frage einfach als ein formidables Zen-Paradox (kōan) heraus. Wer hört ihn schon, den Ton der einen Hand?

Dr. Wolfgang Herbert, Studium der Japanologie, Philosophie und Religionswissenschaften an der Universität Wien, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima, Autor des Buches: Buddha, Zen und Achtsamkeit. Eine kurze Geschichte des Buddhismus im deutschen Sprachraum. Essen: Oldib 2012

Im Anschluss an den Vortrag findet die Eröffnung der Ausstellung von Makita Eri bei einem kleinen Umtrunk im Foyer statt.

Video-Mitschnitt

Ausführliches Manuskript von Dr. Wolfgang Herbert (Verlinkung zu einer externen Seite von Dr. Martin Böker)
https://dagpo.de/glossar/enzyklopaedie/herbert-2023/

Im Anschluss an den Vortrag findet ab 20 Uhr im Foyer die Eröffnung der Ausstellung von Makita Eri bei einem kleinen Umtrunk statt. Eintritt frei.