Mittwoch, 10. Mai 2023, 18:30–20:00 Dr. Nicola Bassoni: „Abweichende Perspektiven einer geteilten Propaganda. Die visuelle Darstellung Japans im faschistischen Italien und in NS-Deutschland“.

Mit der Unterzeichnung des Antikominternpakts im November 1936 und dem Beitritt Italiens ein Jahr später fand die trilaterale Konvergenz der sogenannten Achsenmächte ihren ersten vertraglichen Ausdruck. Von da an standen die Medienakteure und Propagandaapparate der drei Länder vor der Aufgabe, die politische Annäherung und das daraus resultierende Bündnis gegenüber der Öffentlichkeit als etwas anderes als eine opportunistische Kooperation zu rechtfertigen. Für Deutschland und Italien bedeutete dies unter anderem, sich mit einem klischeehaften und teilweise negativen Japanbild auseinanderzusetzen, das sich in Europa seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte und bis zum Vorabend der ersten Abkommen fortbestand.

Die „gelbe Gefahr“ in den 1930er Jahren: links „Il Travaso delle Idee“ 1935; rechts „Simplicissimus“ 1934

Zu diesem Bild gehörte nicht nur die Bewunderung für Japans Kampfbereitschaft und Herausforderung der liberalen Weltordnung, sondern auch tief verwurzelte rassistische Vorurteile und eurozentrische Überlegenheitsansprüche, die von Nationalsozialismus und Faschismus auf die Spitze getrieben wurden.

Ziel des Vortrags ist es zu zeigen, wie und inwieweit es der deutschen und italienischen Propaganda- und Medienlandschaft gelang, ein ambivalentes Japanbild in das Idealbild eines prädestinierten und gleichgesinnten Verbündeten zu verwandeln. Der Schwerpunkt wird dabei auf die parallele Entwicklung der visuellen Darstellung Japans in den Printmedien beider Länder gelegt, wobei insbesondere Illustrationen und Karikaturen berücksichtigt werden, ohne jedoch andere Repräsentationsformen wie Fotografien oder Informationsgrafiken zu vernachlässigen. Die Identifizierung einer begrenzten Anzahl gemeinsamer Darstellungsmuster wird eine vergleichende Analyse ihrer politischen oder propagandistischen Bedeutung ermöglichen.

Anspruch auf eine geteilte Propaganda: Japanischer Bildbericht, „Berlin-Rom-Tokio“ 1939

Das im faschistischen Italien und NS-Deutschland vorherrschende Japanbild war jenes eines kriegerischen Landes. Dies lag nicht nur daran, dass sich Japan seit Anfang der 1930er Jahre mehrfach im Kriegszustand befand, sondern auch an der Rolle, die die Betonung der japanischen Militärmacht in den allgemeinen Zielen der nach innen und außen gerichteten Achsenpropaganda spielte. Infolgedessen drehten sich die Darstellungsmodelle in Deutschland und Italien fast ausschließlich um die militärischen Aspekte der japanischen Gesellschaft und Kultur. Darunter trat die Allegorie Japans als „strahlende Sonne“ sowie als moderner Soldat oder Samurai hervor. Die visuelle Darstellung Japans als Soldat oder Samurai hat jedoch eine lange Geschichte, die aus unterschiedlichen Akzentverschiebungen besteht, die sich bis zum Aufstieg Japans zur Großmacht um die Jahrhundertwende zurückverfolgen lassen. Der Vergleich zwischen unterschiedlichen Umgangsweisen mit früheren Vorbildern und deren Weiterentwicklung wird so die Möglichkeit bieten, Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in der Propagandastrategien der europäischen Achsenmächte aufzuzeigen und die ideologischen Grundlagen der jeweiligen Japanbilder zu verdeutlichen.

Japan als Samurai: rechts „Kladderadatsch“ 1942; links „La Rivista Illustrata del Popolo d’Italia“ 1942

Nicola Bassoni studierte Geschichte in Pisa und Rom und wurde 2016 an der Universität Genua promoviert. Seine Dissertation über Karl Haushofer und die Berlin-Rom Achse wurde 2020 veröffentlicht und 2022 mit dem Lorenzo-Riberi-Preis der Italienischen Gesellschaft für die Neuere und Neueste Geschichte des deutschen Sprachraums (SISCALT) ausgezeichnet. Seine Forschungsschwerpunkten sind die deutsch-italienischen Kulturbeziehungen, die Geschichte des europäischen Japanbildes und die Geschichte der Geopolitik.
Derzeit ist er Marie Skłodowska-Curie Research Fellow an der Universität “Ca’ Foscari” zu Venedig und Gastwissenschaftler an der Kyoto Sangyo University.
Sein aktuelles Forschungsprojekt heißt „YTOPIA – Yamatology of the Axis. Japan as a Nazi-Fascist Utopia of Political Renewal“
(Website des Projekts: https://pric.unive.it/projects/ytopia/home).

Video-Mitschnitt

Moderation: Prof. Dr. Christian W. Spang, Daito Bunka University