OAG Taschenbuch Nr. 092 Hiraga Gennai, übersetzt von Rita Briel (2010) Zwei Diskurse über den Furz Gelehrte Betrachtungen über ein anrüchiges Thema

Zwei Diskurse über den Furz Gelehrte Betrachtungen  über ein anrüchiges Thema
146 Seiten
Deutsch
Iudicium Verlag München
2010
8 €

Hiraga Gennai war ein Universalgenie, das nicht ohne Grund auch der japanische Leonardo da Vinci genannt wird. Die Parallelen sind in der Tat weitreichend. Leonardo da Vinci ist für seine Werke in Malerei, Plastik und Architektur bekannt, war bahnbrechend auf dem Gebiet der Kartografie, fertigte Entwürfe für Schloss- und Gartenanlagen, war Wegbereiter der Naturforschung auf den Gebieten Anatomie, Botanik, Zoologie, Geologie, Hydrologie, Aerologie, Optik und Mechanik, untersuchte die zugrundeliegenden Eigenschaften von diversen Einzelerscheinungen und konstruierte entsprechend dieser Prinzipien u. a. Geräte wie Stechheber, Pumpen, Flugmaschinen oder Maschinen zur Tuchherstellung. Er schuf außerdem eine Art Kosmologie, eine umfassende Lehre von den mechanisch-funktionellen Urgesetzen der Natur. Ersetzt man Aerologie, Anatomie und Optik durch Werbetexter, Herausgeber und Theaterschriftsteller, trifft die Beschreibung fast auch auf Hiraga Gennai zu und außerdem hatte er ebenso wie Leonardo keine Familie, was es ihm erlaubte, seine Zeit, seine Energie und sein Geld in die verschiedensten Projekte zu investieren.

Allerdings war Hiraga anders als Leonardo mit den meisten seiner Unternehmungen nicht so recht erfolgreich und steckte oft tief in finanziellen Schwierigkeiten. Beide Diskurse über den Furz zählen in Japan zu den kokkeibon, komischen Geschichten, sind aber auch eine Art dangibon oder dangimono, die besonders zwischen 1750 und 1780 populär waren. Es sind dies Werke, in denen Lustiges oder Belehrendes in Dialogform übermittelt wird. In Gennais Diskursen unterhält er sich selbst nach einer Einführung mit einem Provinzler, der seiner Meinung nach von nichts eine Ahnung hat. Der Text ist gespickt mit Sprichwörtern, Redewendungen, sowie Zitaten aus chinesischen Klassikern, was ihm erlaubt, sein eigenes umfangreiches Wissen auf allen Gebieten zu zeigen und seine Position gegenüber dem Provinzler zu festigen.

Möglicherweise ist diese Vorgehensweise aber auch ein Hilfsmittel, das von ihm auch eingesetzt wurde, um die Zensur nicht herauszufordern, denn dadurch konnte er andere kritisch für sich sprechen lassen. Neben einer Auflistung des Unterhaltungsangebots von Edo sind die Diskurse über den Furz voll von Namen berühmter Leute, insbesondere von Kabuki-Schauspielern, aber auch von berühmten Stücken und selbst berühmten Personen in diesen Stücken, was ihn zusätzlich als Connaisseur der Theaterszene auszeichnet. Im zweiten Teil kritisiert er zunächst den Mammonismus seiner Zeit, um dann in einem Rundumschlag alle abzukanzeln, die seine Leistung, insbesondere die Herstellung der Elektrizitätsmaschine, nicht zu würdigen wissen.

Infoblatt
Inhaltsverzeichnis und Einleitung