Mittwoch, 24. September 2008, 18:30–20:00 Michael Stein: „Der steinige Weg Higuchi Ichiyōs zur Literatin“

Higuchi Ichiyō (1872-96) ist die bekannteste Schriftstellerin Japans des 19. Jahrhunderts. Sie gilt als die Begründerin der modernen Frauenliteratur und wird in einem Atemzug mit so renommierten Autoren wie ihren Zeitgenossen Mori Ōgai und Natsume Sōseki genannt. Ihre beiden Hauptwerke Takekurabe und Nigori’e sind, neben etlichen weiteren Erzählungen, in die wichtigsten Sprachen der Welt übersetzt worden.

Higuchi Ichiyōs Ruhm ist zwar ihrem überragenden literarischen Talent zu verdanken, aber gegen Ende des 19. Jhs. genügte es in Japan nicht, mit Talent ausgestattet zu sein. Es war seinerzeit keineswegs selbstverständlich, dass eine Frau versuchte, ihren Unterhalt als Schriftstellerin zu bestreiten, galt doch die Welt der Literaten als eine Domäne des Mannes. Dass sich Ichiyō, die schon mit 24 Jahren der Tuberkulose erlag, trotz ihrer jungen Jahre auf diesem Gebiet durchsetzen konnte und von den zeitgenössischen Schriftstellern anerkannt und geschätzt wurde, ist unter anderem etlichen ungewöhnlichen Umständen geschuldet, die Ichiyōs literarische Karriere erst ermöglichten. Diesen Umständen wird jedoch allgemein wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Dieser Vortrag soll, über reine biografische Fakten hinaus, aufzeigen, welche Schwierigkeiten auf dem Weg zur Drucklegung und Veröffentlichung der ersten Werke zu überwinden waren, wer der jungen Autorin dabei geholfen hat und welche Zufälle und Notlagen die Entfaltung des außergewöhnlichen literarischen Talents dieser schüchternen jungen Dame ermöglichten.

Dr. Michael Stein
Dozent für Deklamation an der Musikfakultät der Tokyo Geijutsu Daigaku. Studium der romanischen Theaterwissenschaft in Frankfurt/Main und Genua, und der klassischen jap. Literatur in Frankfurt/Main. Seit 1980 dauerhaft in Japan. Veröffentlichungen: Japans Kurtisanen; OAG, iudicium 1997. – Die vertauschten Geschwister, Insel 1994. – Geisha – vom Leben jenseits der Weidenbrücke, Insel 1998.- Higuchi Ichiyō: In finsterer Nacht (Übs.), iudicium 2007. – Higuchi Ichiyō: Mond überm Dachfirst (Übs.), Manesse 2008 u.a.