Vorträge
Mittwoch, 8. Oktober 2008, 18:30–20:00 Kristina Iwata-Weickgenannt: „Das inszenierte (Über-)Leben: Literarisch-mediale Selbstzeugnisse der japankoreanischen Gegenwartsautorin Yū Miri“
„Die Autorin Yū Miri ist ein Kunstwerk, das ich gemeinsam [mit meinem Mentor] geschaffen habe“, sagt die Schriftstellerin Yū über sich selbst.
Literarisches Schaffen ist zwangsläufig mit der Konstruktion von Identitäten verbunden – aber nicht immer werden diese Prozesse offensichtlich und nicht unbedingt rücken sie so sehr ins Zentrum des künstlerischen Ausdrucks wie bei Yū Miri, einer der bekanntesten Autorinnen der Gegenwart.
1968 als Tochter koreanischer Einwanderer in der Nähe von Tokyo geboren, wuchs sie unter ärmlichen Bedingungen in zerrütteten Familienverhältnissen auf.
Die ethnisch-soziale Marginalisierungserfahrung ihrer Jugend führte zu einem ausgeprägten Gefühl mangelnder Zugehörigkeit, das auch ihre Literatur durchzieht.
Mit sechzehn Jahren trat Yū einer alternativen Theatergruppe bei, wo sie prägende Jahre als Schauspielerin und Bühnenautorin verbrachte: Das Performative wurde zu ihrer künstlerischen Heimat.
Deutlich wird dies nicht nur in der starken autobiographischen Prägung ihres literarischen Werks, sondern auch in ihrer hohen Medienpräsenz: In zahlreichen Essays, Interviews und Fernsehauftritten sowie in mehreren ihr gewidmeten Dokumentarsendungen berichtet Yū immer wieder sehr persönlich über ihr vergangenes und gegenwärtiges Leben.
Der Vortrag möchte zeigen, dass und wie sich die in außerliterarischen Zusammenhängen gegebenen Selbstzeugnisse mit ihren Texten in einer Weise überlagern, die eine Trennung von ‚Leben‘ und ‚Werk‘ unmöglich erscheinen lässt. Es wird darum gehen, Yū Miri als Autorin, zugleich aber als ‚Kunstwerk‘ und Medienphänomen vorzustellen, als ein Beispiel der totalen Multimedia-lisierung von Identität.
Dr. Kristina Iwata-Weickgenannt
hat in Berlin und Tokyo Japanologie und Politikwissenschaften studiert.
Im Anschluss an ihre Tätigkeit als Assistentin eines japanischen TV-Korrespondentenbüros und nach einem dem deutsch-japanischen Kulturaustausch gewidmeten Jahr in Nagano ging sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Universität Trier, wo sie 2007 promovierte.
Seit April ist sie nun am Deutschen Institut für Japanstudien in Tokyo tätig. Mit ihrem Vortrag stellt sie einen Teil ihrer Dissertation vor, in der sie sich mit Konstruktionen von Gender und Ethnizität im Werk der Autorin Yū Miri befasst.