Mittwoch, 8. Mai 2019, 18:30–20:00 Prof. Dr. Robert F. Wittkamp: „Was sind die japanischen Mythen? – Von der Entstehung zur Erforschung“

Die Bezeichnung „japanische Mythen“ birgt gewisse Risiken. Solange man jedoch darunter einen Sammelbegriff für mythische Erzählungen mit zum Teil beträchtlichen inhaltlichen Abweichungen versteht, dürften kaum Einwände zu erheben sein. Ein prüfender Blick in die Fachliteratur oder Lexikoneinträge gibt jedoch hier und dort Mythenvermischungen sowie eine Gleichsetzung von „japanischen Mythen“ mit den Kojiki-Mythen zu erkennen. Diese Homogenisierung beschrieb ein bekannter japanischer Wissenschaftler treffend als „Eintopfgericht“ (zōsui). Tatsächlich ist das Kojiki das älteste Werk der japanischen Literatur, was jedoch nicht bedeuten muss, dass es auch die ältesten Mythen enthält.

Der Vortrag geht den Fragen nach der Herkunft der Mythen, ihrer Geschichte auf den japanischen Inseln bis zur politisch-ideologischen Instrumentalisierung in den beiden Geschichtswerken Kojiki (712) und Nihon shoki (720) sowie schließlich der Rolle der modernen Forschung seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts nach. Die vergleichende Mythenforschung sowie die Geschichtswissenschaften waren lange richtungsweisend, aber eine Wende seit den 1970er Jahren ermöglichte Erkenntnisse, die den Ansätzen der Moderne verschlossen waren.

Robert F. Wittkamp, Jahrgang 1959, lebt mit Familie bei Kyoto und arbeitet an der Universität Kansai Daigaku in Osaka. Seine Forschungsschwerpunkte sind Schrift und Texte bis zum Ende des achten Jahrhunderts, in den letzten Jahren mit zunehmender Fokussierung auf die erzählende Literatur. Altjapanische Erinnerungsdichtung – Landschaft, Schrift und kulturelles Gedächtnis im Man’yōshū (2 Bände, 2014) widmet sich der Dichtung zu Beginn des achten Jahrhunderts, und Arbeit am Text – zur postmodernen Erforschung derKojiki-Mythen (2018) ist eine Untersuchung der Kojiki-Mythen, allerdings nicht aus der Perspektive der vergleichenden Mythenforschung, sondern der japanischen Philologie seit den 1970er Jahren. Beide Arbeiten sind von einem Interesse an der altjapanischen Geistes- und Kulturgeschichte geleitet.

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