Mittwoch, 18. Januar 2023, 18:30–20:00 Michael Thanner: „Gestalt und Erzählung. Entwurfsprozesse in der Architektur“

Architektur schafft Räume für die vielfältigsten Anforderungen des menschlichen Lebens. Sie kreiert die Behälter, in dem sich gesellschaftliche Interaktionen abspielen und beeinflusst diese in nicht unerheblicher Weise und wird so zur „zu Stein gewordenen“ baulich-räumlichen Manifestation sozio-politischer Aspirationen und Beweggründe.
Architektur spiegelt nicht nur den Zeitgeist wider, dem sie Raum gibt. Sie kann durch ihre Gestalt signifikant zur Entwicklung einer Gesellschaft beitragen, positiv wie negativ, selten neutral. D.h. Gesellschaft beeinflusst Architektur, Architektur beeinflusst Gesellschaft.

Dieses Spannungsfeld des gegenseitigen Sich-Beeinflussens und des konstanten Sich-Auseinandersetzens der Gesellschaft mit ihrer geplanten und gebauten Umwelt kreiert Erfahrungsräume, die ständig im Wandel begriffen sind und deren tiefere Bedeutung mittels Gestalt und Artikulation für jeden unmittelbar verstehbar sind. Jedwede Gestaltung, ob künstlerischer oder technischer Natur, beherbergt komplexe Bedeutungsschichten, die mehr oder minder „ablesbar“ sind. Jede vom Menschen geschaffene Gestalt erzählt eine Geschichte, ob banal oder aufregend.

Cocoon

Wenn aber Architekturgestaltung kollektiv geschieht und wesentlich durch die Zeit beeinflusst wird, sich also ständig verändert, was ist die Rolle der Architektinnen und Architekten in diesem fulminanten Geschehen?

Ohne eine differenziert konstruierte Umgebung, ist der moderne Mensch und damit eine komplexe Gesellschaft nicht denkbar. Sind Architekturschaffende beim Entstehen dieser Umgebung nur Werkzeuge der Gesellschaft oder sind sie maßgebliche Form- und Bedeutungsgeber in diesem Verfahren?

Anhand kürzlich entwickelter Gebäude im asiatischen Raum versucht der Vortrag, diesen Fragen auf den Grund zu gehen und dabei Einblicke zu gewähren, wie Architektinnen und Architekten in ihren Entwurfsprozessen Gebäude als Erzählgebilde schaffen, die auf partizipatorische Teilnahme abzielen und deshalb einer fairen und offenen Gesellschaft bedürfen.

Michael Thanner, Studium der Architektur und Stadtplanung in Regensburg, Hamburg und New York. Tätigkeit in New York, u.a. bei Richard Meier & Partners. Lehrtätigkeit an der School of Visual Art, New York. Seit 2010 Senior Principal Architect bei Tange Associates, Tokyo/Singapore.

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