Mittwoch, 29. Januar 2014, 18:30–20:00 Reinold Ophüls-Kashima: Kyōsei (共生) – „Symbiose“ oder „conviviality“ als gesellschaftspolitischer Begriff im Japan der Gegenwart

Ohne Zweifel erlebt der Begriff kyōsei (共生), der mit „Symbiose“ übersetzt werden kann, der aber auch schon mal im Englischen mit conviviality wiedergegeben wird, derzeit eine starke Konjunktur in Japan. In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Schriften und Büchern veröffentlicht worden, die den Begriff kyōsei im Titel tragen; besonders häufig sind dabei die Bereiche der Pädagogik, des Zusammenlebens von Behinderten mit Nicht-Behinderten, sprachlicher bzw. ethnischer Minderheiten, der Philosophie, der Ökonomie und natürlich der Ökologie vertreten.

Im politischen Bereich wird der Begriff nun auch häufiger benutzt, z.B. von der Demokratischen Partei. Es existiert auch eine kleine Partei mit dem Namen „Neue Symbiose-Partei“ (Kyōsei Shintō), die im Wesentlichen von den berühmten Architekten Kishō Kurokawa (*1934–2007) geprägt wurde. Dieser war es auch, der den aus dem Fachgebiet der Biologie bzw. Ökologie stammenden Terminus der „Symbiose“ (共棲・共生) mit dem buddhistischen Konzept des tomo-iki (共生 „Zusammenleben“) in seinem 1987 erschienenen Werk Kyōsei no shisō – mirai wo ikinuku raifusutairu („Das Denken der Symbiose – ein Lebensstil, um in Zukunft zu überleben“) verband und einen interdiskursiven, gesellschaftspolitischen Begriff schuf. In diesem Vortrag soll die Genese dieses Begriffs wie auch der aktuelle Gebrauch in den diversen Spezialdiskursen wie der Philosophie bzw. in den Interdiskursen wie dem Buddhismus erläutert und diskutiert werden.

Reinold Ophüls-Kashima, geb. 1959, 1989 M. A. (Sprache und Literatur Japans, Neugermanisitik, Altgermanistik) an der Ruhr-Universität Bochum, Promotion 1996 an der FU Berlin (Titel der Publikation 1998: Yoshimoto Takaaki – ein Kritiker zwischen Dialektik und Differenz), 1991–1996 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin im Bereich Japanologie (Lehrstuhl Prof. Dr. Irmela Hijiya-Kirschnereit), 1997–2002 Lektor für Deutsche Sprache an der Universität für Landwirtschaft und Technik Tokyo (Tōkyō Nōkō Daigaku), seit 2002 Associate Professor und ab 2009 Professor an der Sophia-Universität in Japan. Forschungsschwerpunkte und Veröffentlichungen zu: Yoshimoto Takaaki, zur japanischen Literatur, Diskursanalyse und Diskurstheorie, „Japanismus“ (Japan-bezogene Topoi und Kollektivsymbole), europäischer und japanischer Film bzw. Studien, zum Begriff Kyōsei usw.