Mittwoch, 12. Februar 2014, 18:30–20:00 Vortrag von Dr. des. Phoebe Holdgrün: Mütter gegen Radioaktivität. Eine Fallstudie

Nach der Dreifachkatastrophe in Japan vom 11. März 2011 sind viele Menschen in social movement organizations aktiv geworden, die sich aus Sorge um die Folgen der Atomreaktorkatastrophe von Fukushima neu gegründet haben. Die Lage in Japan seit März 2011 hat besonders Eltern dazu bewegt, sich für den Schutz ihrer Kinder vor radioaktiv verstrahlter Nahrung und Umwelt zu engagieren. Dies zeigt sich beispielsweise in einem seither gegründeten, japanweiten Elternnetzwerk von über 300 Organisationen. Innerhalb dieses Netzwerkes gibt es Vereinigungen von Eltern, die sich an international sichtbaren Protestaktivitäten gegen die Nutzung von atomarer Energie beteiligen. Andere Gruppen wiederum lehnen die Teilnahme an Demonstrationen und Protestveranstaltungen ab und ziehen andere Wege der Partizipation vor, um das Ziel einer sicheren Umwelt für ihre Kinder zu erreichen.

Dieser Vortrag präsentiert Partizipationsstrategien dieser vergleichsweise „unsichtbaren“ Mitglieder der japanischen Zivilgesellschaft anhand einer Fallstudie des in allen 23 Tokyoter Bezirken vertretenen Netzwerkes von kodomo o mamoru kai (Vereine zum Schutz der Kinder); nämlich deren lokale Vereinigung im Bezirk Chiyoda. Dazu werden vor allem Daten aus Interviews und teilnehmender Beobachtung verwendet.

Das Fallbeispiel zeigt, dass sich vor allem Mütter in den lokalen Vereinigungen engagieren. Gleichzeitig verdeutlichen erste Ergebnisse der Studie, dass innerhalb der Organisationen hohes Sozialkapital entsteht, wohingegen die Einflussnahme auf die Lokalregierungen beschränkt zu bleiben scheint. Das Verständnis der Mutterrolle motiviert zur Aufnahme von Aktivitäten und wirkt sich fortwährend auf die Art und Weise der Partizipation aus. Die damit verbundenen Taktiken wirken auf den ersten Blick zwar unkoordiniert, sie zielen jedoch auf kontinuierliche und langfristige Kontrolle der lokalen Maßnahmen gegen radioaktive Verstrahlung ab. Über die Analyse dieser Strategien hinaus fragt die Präsentation nach dem subjektiven Wohlbefinden der beteiligten Mütter, die häufig aus einer stark empfundenen Sorge heraus aktiv werden.

Phoebe Stella Holdgrün
promovierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit einer Politikfeldanalyse zur Implementierung von Geschlechtergleichstellung in Japans Präfekturen. Seit 2012 ist wiss. Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Japanstudien. Am DIJ befasst sie sich mit dem Stellenwert von politischer Partizipation im Leben von Aktivisten und dem Zusammenhang zu subjektivem Glücksempfinden.