Mittwoch, 20. September 2023, 18:30–20:00 Dr. Joachim Alt: „1945 als Ende aller Hoffnung? – Wenn in Anime Kinder sterben“

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2005 sieht sich ein großer Teil der erwachsenen japanischen Bevölkerung das Zeichentrick-Meisterwerk „Hotaru no Haka“ (Die letzten Glühwürmchen) vor allem zu einem bestimmten Zweck an – so viele Tränen wie möglich zu vergießen. Und kennt man Takahata Isaos größte filmische Hinterlassenschaft, die auch beispielsweise in Deutschland in Synchronfassung im Fernsehen zu finden ist, so weiß man, dass es der Film nicht schwer macht, diese Tränen auch zu finden. Die herzzerreißende Geschichte des Schuljungen Seita und seiner Schwester Setsuko, die bei einem der Luftangriffe auf Kobe erst ihre Mutter und später, in Folge von Mangelernährung und Krankheit, am Ende des Krieges auch einander verlieren, ist international bekannt und auch akademisch längst aufgearbeitet.

Bedenkt man dann, dass Kinder als solche der Inbegriff der Zukunft sind, so ist der Tod von Kindern, als Teil filmischer Symbolik, doch zweifelsohne der Tod der Zukunft und damit auch der Hoffnung. Und an toten Kindern mangelt es in Anime zum Zweiten Weltkrieg nicht. Und dies passt zur Unterstellung, dass Japan im Umgang mit seinem Gedächtnis des Kriegs eine gewisse Opfermentalität pflegt, was auch gerne für alle Anime des Genres angewendet wird.

Aber ist das alles wirklich so? In diesem Vortrag wendet sich der Blick deshalb auf die Protagonisten anderer Anime zum Thema „Krieg“ und überprüft, ob denn tatsächlich alle Kinder und alle Hoffnung sterben müssen.

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Erstellt von Joachim Alt mit DALL E

Joachim Alt ist Assistenzprofessor am staatlichen Museum für japanische Geschichte in Sakura, Chiba. In seiner Forschung hat er sich bisher mit der Darstellung und der japanischen Perspektive des Zweiten Weltkriegs in Anime befasst. Neben mehreren Publikationen in Fachzeitschriften im In- und Ausland ist er am englischsprachigen Sammelband Thinking with Animation (2021, Cambridge Scholars Publishing) und dem unlängst erschienenen japanischen ‘Tatakai’ to ‘Torauma’ no Anime Hyōgen-shi – ‘Atomu’ kara ‘Madoka Magika’ ikō e (2023, Nihon Hyōron Sha) beteiligt.

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