Vorträge
Mittwoch, 3. April 2019, 18:30–20:00 Dr. Gilles Mastalski: „Emil Orlik (1870-1932). Ein Prager Maler und Graphiker in Japan“
Die (Wieder-) Entdeckung des Japonismus in Mittel- und Osteuropa zeigte vor allem eine Gemeinsamkeit der mitteleuropäischen Künstler mit vielen westlichen Kollegen: ein idealisiertes Bild Japans, ein Land, das sie nur aus der Ferne kannten. Davon gab es aber im Raum Österreich-Ungarn bemerkenswerte Ausnahmen, wie den aus Galizien stammenden Julian Fałat (1853-1929) und den gebürtigen Prager Emil Orlik (1870-1932).
In diesem Vortrag soll Orliks Japan-Reise von 1900/1901 vorgestellt werden. Der Maler und Grafiker besuchte Japan, um die Geheimnisse des japanischen Holzschnitts zu entdecken. Vor Ort besuchte er das Atelier von Kanō Motonobu (1843-1912), einen der letzten Maler der Kanō-Schule. Dieser war in Kontakt mit der Gruppe um Ernest F. Fenollosa (1853-1908) und Okakura Tenshin (1862-1913), die sich zur Aufgabe gestellt hatte, die traditionelle japanische Kunst zu bewahren.
Orlik, der (anscheinend) schnell die japanische Sprache erlernte, war einer der wenigen Europäer, die allein das Innere des Landes bereisten (Nikkō, Numata, Ikaho, Aizu-Wakamatsu, Niigata, Akakura, Kamakura, Hakone, Kyoto, Nara). Viele Skizzen, Aquarelle und Pastelle zeugen von diesen Wanderungen.
Schnell in das Tokyoter Künstler-Milieu integriert, nahm der gebürtige Prager an der fünften Ausstellung der Hakubakai-Künstlergesellschaft teil. Diese war 1896 von Künstlern westlicher Stilrichtung wie Kuroda Seiki (1866-1924), Kume Keiichirō (1866-1934) und Wada Eisaku (1874-1959) gegründet worden. Orliks Drucke veranlassten einige japanische Künstler seinem Beispiel zu folgen. So vermerkte Oda Kazuma (1882-1959) im Jahre 1930: „Die grafischen Werke, die mich sofort inspirierten, waren die Lithographien von Orlik.“
Den Aufenthalt Emil Orliks nachzuzeichnen, erlaubt uns, den künstlerischen Austausch zwischen Japan und Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederzuentdecken, just als die Künstler des „Alten Kontinents“ versuchten, Handwerk und Ästhetik der Kunst, die sie so faszinierte, zu studieren, während ihre japanischen Kollegen eine Entscheidung zwischen dem Wiederaufleben der traditionellen Kunst und dem Wunsch, die westliche Kunst zu assimilieren, trafen.
Dr. Gilles Mastalski, unterrichtet Geschichte und Geographie am Lycée français international de Tokyo (LFIT). Er ist Mitglied der Society for the Study of Japonisme (Japonizumu gakkai) in Tokyo. 2000 Doktorat in Internationalen Beziehungen zum Thema: „Germanophilie und Germanophobie in der Tschechoslowakei/Tschechische Republik (1989-1997). Die Rückkehr der Sudetenfrage in den deutsch-tschechischen Beziehungen.“ Dozent an der Universität von Neukaledonien sowie an der Universität von Marne-la-Vallée. Autor und Herausgeber von zahlreichen Fachartikeln zu den Themen Zeitgeschichte, Kunstgeschichte sowie Geopolitik und Internationale Beziehungen Mitteleuropas. Seit seiner Übersiedelung nach Tokyo 2005 forscht er zum künstlerischen und kulturellen Austausch zwischen Österreich-Ungarn und Japan.