Dienstag, 19. November 2002, 19:30–21:00 Christian W. Spang: „Wer waren Hitlers Ostasienexperten?“

Im Rahmen seiner Behandlung der „Rassenfrage“ hatte Hitler den Japanern in Mein Kampf eine mittlere, mithin eine so genannt „kulturtragende“ Qualität zugesprochen. Damit hatte er diese zwar nicht auf eine Stufe mit primitiven, von ihm als „kulturzerstörend“ eingestuften Rassen gestellt, dennoch wurde eine solche Zurücksetzung hinter die „kulturschaffende“ Rolle der Arier in Japan als eine schwere Beleidigung und Erniedrigung empfunden. Dies stellte ein schwerwiegendes Problem bei der bilateralen Annäherung der 1930er Jahre dar.

Es fehlte innerhalb der NS-Führung offensichtlich an Fingerspitzengefühl gegenüber den möglichen außenpolitischen Verwicklungen im Falle einer offensiv vertretenen Rassenpolitik. Die in der älteren NS-Forschung häufig zu findende Darstellung, daß die NSDAP von Anfang an japanophil war, während Auswärtiges Amt und Reichswehr sinophil waren, läßt sich in dieser Absolutheit nicht aufrecht erhalten.

Hitler hatte nur sehr beschränkte Kenntnisse über die Lage in Asien. Japans Vorgehen auf dem asiatischen Kontinent, die Gründung Mandschukuos und vor allem der Austritt aus dem Völkerbund hatten Anfang der 1930er Jahre dennoch Hitlers Interesse an Japan geweckt. In Umgehung des Auswärtigen Amtes war Ribbentrop 1933/34 von Hitler beauftragt worden die Möglichkeit einer Annäherung an Japan zu sondieren. Der wichtigste außenpolitische Berater Hitlers stand seinem Chef allerdings in seiner Unkenntnis über die Lage in Asien in nichts nach.

Der Karrierediplomat Erich Kordt schrieb in einem für die Alliierten angefertigten englischen Manuskript zu den deutsch-japanischen Beziehungen das Folgende:

„One day in summer 1934, he [von Ribbentrop] asked abruptly whether there existed a secret military agreement between Germany and Japan. Such an amount of naiveté rather puzzled me, but I should soon be even more surprised. After having answered his question in the negative, I added, that ‘Shimonoseki’ would avoid as from political adventures, he asked unwillingly: ‘Who’s that fellow?’”

Ribbentrop wußte demnach nichts vom Frieden von Shimonoseki zwischen Japan und China (1895) und der berühmten „Tripple-Intervention“ mit deren Hilfe Frankreich, Rußland und Deutschland verhinderten, daß sich Japan schon Ende des 19. Jahrhunderts auf dem asiatischen Festland festsetzen konnte.

Wenn die Nazis also keine Ahnung von Asien hatten, woher stammte dann die Expertise, die nötig war um Ribbentrops zunächst vom Auswärtigen Amt unabhängige Politik der Annäherung an Japan zu betreiben? Der Vortrag wird sich mit der Rolle des auch in Japan bekannten Generalmajor a.D. Prof. Dr. Karl Haushofer (1869-1946) und weiteren „Japan-Experten“ der Nazis beschäftigen.

Christian W. Spang, M.A., arbeitet seit 1997 an einer Dissertation zu Karl Haushofers Rolle innerhalb der deutsch-japanischen Beziehungen bis 1945. Nach zwei Jahren an der Tokyo-Universität, ist Herr Spang seit Oktober 2000 Research Fellow am Institute of Asian Cultural Studies der International Christian University (ICU). Daneben unterrichtet er an der Hōsei-Universität und ist seit Mai letzten Jahres Vorstandsmitglied der OAG, verantwortlich für die Veranstaltungskoordination.