Mittwoch, 17. November 1999, 18:30–20:00 Christian W. Spang: „Karl Haushofer – eine wenig beachtete Größe innerhalb der deutsch-japanischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit“

Abb. 16 – Karl Haushofer, Yukata
Karl Haushofer im yukata in Beppu/Kyushu (um 1910),
Foto: Privatbesitz der Familie Haushofer

Karl Ernst Nickolaus Hermann Haushofer (1869-1946) entstammte einer großbürgerlichen Münchner Professorenfamilie. Er war 1889 als Offiziersanwärter in die königlich-bayerische Armee eingetreten, aus der er schließlich 1919, auf seinen eigenen Wunsch, im Rang eines Generalmajors ausschied. Von Februar 1909 bis Juni 1910 weilte Haushofer als erster bayerischer Militärbeobachter im Japan der ausgehenden Meiji-Zeit. Diese 1 1/2 Jahre prägten maßgeblich Haushofers Weltbild. Daneben spielte insbesondere die Hinreise per Schiff via Suezkanal und Indien sowie die Rückreise mit der transsibirischen Eisenbahn eine große Rolle für die späteren außenpolitischen Theorien des „Vaters der deutschen Geopolitik“.

Gegen Ende seiner etwa 30-jährigen Dienstzeit promovierte Haushofer 1913 bei Professor Ernst von Drygalski an der Münchner Ludwig-Maximilians Universität (LMU) in Geographie über das Thema „Der deutsche Anteil an der geographischen Erschließung Japans und des Subjapanischen Erdraums und deren Förderung durch den Einfluß von Krieg und Wehrpolitik“. Im Jahr seines Ausscheidens aus der Armee reichte Haushofer schließlich erfolgreich seine Habilitationsschrift ein: „Grundrichtungen in der geographischen Entwicklung des Japanischen Reiches.“ Im Anschluß daran arbeitete er bis zu seiner Emeritierung 1939 als Privatdozent bzw. Honorarprofessor an der LMU.

Wie schon die Themen seiner Dissertation sowie seiner Habilitation andeuten, liegt die Besonderheit in Haushofers Lebenslauf in seinem Japanaufenthalt und seiner außergewöhnlich umfangreichen (pseudo-) wissenschaftlichen Japanforschung. Insgesamt hat Haushofer etwa 40 Bücher und ca. 700 Artikel, Rezensionen, Nachrufe, Forschungsberichte etc. verfaßt. Etwa 40% seiner Bücher sowie ca. 60% seiner unselbständigen Publikationen beschäftigten sich mit Japan oder dem – so Haushofers eigener Ausdruck – „indopazifischen Raum“. Allein schon die Quantität seines japanologischen Schaffens aber auch die Anerkennung die Haushofer hierfür in Militär- und Nazikreisen ebenso wie in den deutschfreundlichen Zirkeln der japanischen Führung gezollt wurde, positionierten ihn als einen der wichtigsten zeitgenössischen deutschen Kenner Japans – eine Ansicht, die die wenigen deutschen Japanologen der Zeit kaum teilten.

Haushofers Ansehen als Universitätsprofessor und seine vielen Veröffentlichungen, sein Renommee als Weltkriegsgeneral und seine guten Kontakte zur Reichswehr sowie seine bis 1919 zurückreichende Freundschaft mit Rudolf Heß, dem späteren „Stellvertreter des Führers“, stellten die Basis seiner gesellschaftlichen Position in den 1920er und 1930er Jahren dar. In Fragen Ostasiens hatte Haushofer eine Zeit lang sicher einigen Einfluß auf die Sichtweise nicht nur seines Freundes Rudolf Heß sondern wohl auch auf diejenige Hitlers sowie von Ribbentrops.

Abb. 46 – Haushofer, Mushakoji, DA München, 1935
Bild eines offiziellen Empfangs: In der Mitte sind hier Karl Haushofer sowie rechts von ihm der japanische Botschafter, Mushakoji Kintomo, zu sehen. Anzunehmen ist, daß es sich hierbei um ein Foto des von Haushofer vor Ort organisierten Besuchs einer hochrangigen japanischen Botschaftsdelegation in München im Juni 1935 handelt. (Foto: Privatbesitz der Familie Haushofer)

Seine 1909/10 in Japan begründeten weitreichenden Kontakte dorthin sowie seine nach 1919 ausgebauten Beziehungen zu den meisten der hochrangigen Vertretern Japans in Deutschland bildeten hierbei die Grundlage für seine Rolle im Zusammenhang mit der Wiederanknüpfung und den Ausbau der deutsch-japanischen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg.

Es ist erstaunlich, daß sich die recht umfangreiche deutsche Haushofer-Forschung meist ausschließlich zentral mit Haushofers Bekanntschaft mit Rudolf Heß sowie seinem Einfluß auf Adolf Hitler befaßt. Im Mittelpunkt stand hierbei allerdings fast immer Haushofers „Lebensraum“ Theorie vom „Volk ohne Raum“, nicht jedoch seine japanologischen Publikationen geschweige denn seine außenpolitischen Theorien hinsichtlich einer die UdSSR einschließenden deutsch-japanischen Kooperation. Wie Teile der Reichswehr und der frühen Wehrmacht stand Haushofer zwar der sowjetischen Führung in Moskau ablehnend gegenüber, glaubte aber dennoch an die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit „Rußland“, das er als eine Art „Landbrücke“ zwischen Deutschland und Japan interpretierte.

Diese Theorie sowie Haushofers Beziehungen und seine Rolle für die deutsch-japanischen Beziehungen der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stehen im Zentrum dieses Vortrags.

Christian W. Spang hat seine Magisterarbeit über Haushofers Einfluß auf das Japanbild der Nationalsozialisten verfaßt und arbeitet seit 1997 an einer Dissertation zu Haushofers Rolle für die deutsch-japanischen Beziehungen bis 1945. Zur Zeit ist er als Stipendiat des Monbush und des DAAD als Forschungsstudent an der Tokyo Universität eingeschrieben.