Vorträge
Mittwoch, 8. März 2017, 18:30–20:00 Dr. Klaus Schlichtmann: „Eine indische Friedensgeschichte“
Indien, mit seinen Einflussgebieten in Südostasien bis nach China und Japan, hat religions- und ideengeschichtlich immer eine bedeutende Rolle gespielt. Besonders die vier Epochen, die in dem Vortrag behandelt werden, nämlich
1. die Zeit des Maurya-Herrschers Ashoka, etwa 273/268 bis 231,
2. die Pala-Dynastie von ca. 750 bis 1174 mit der Universität Nalanda,
3. die sogenannte ‚Bengal Renaissance‘ um 1800 und
4. die Epoche Mahatma Gandhis (1917-1947)
sind hier beispielhaft. Diese sich jeweils über einen längeren Zeitraum erstreckenden Epochen sind zugleich Ausdruck einer besonderen Friedenskultur, die ihresgleichen sucht und beispielhaft ist. Inhaltlich reicht das Spektrum von der achsenzeitlichen Absage an Krieg als Mittel zur Lösung zwischenstaatlicher Streitigkeiten bei Ashoka bis zu Gandhis Forderung nach einer Weltfriedensordnung und demokratischen Weltföderation.
Denkt man allerdings an die zahlreichen europäischen Friedenspläne, von Erasmus über Abbé Pierre und Jeremy Bentham bis Immanuel Kant, so verwundert es, dass selbst nach dem Zweiten Weltkrieg keine Fortschritte erzielt wurden. Die Europäer haben offenbar kein Interesse, den Krieg als Institution abzuschaffen und die Vereinten Nationen mit eigenen Hoheitsrechten, mit dem Ziel der Durchsetzung einer rechtsverbindlichen, demokratischen Friedensordnung, auszustatten. Die Frage nach der Relevanz von Präzedenzfällen (auch solchen, die keine Wirkung entfaltet haben) für die zukünftige Gestaltung einer auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten Weltordnung sollte daher, mit Blick auf das ‚Vorbild‘ Indiens, diskutiert werden. Damit stellt sich die Frage, ob die indische Erfahrung, aus friedenshistorischer Sicht betrachtet, Erkenntnisse und Muster vermitteln kann, die für unsere Gegenwart von Bedeutung sind.
Klaus Schlichtmann, Friedenswissenschaftler und Aktivist. 1944 in Hamburg geboren, mehrere Jahre Indienaufenthalt zwischen 1964 und 1976. Danach Studium der Geschichte, politischen Wissenschaft und des Völkerrechts an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Promotion 1997. Zahlreiche Veröffentlichungen. 1992 mit einem Stipendium nach Japan gekommen, wo er seitdem lebt und arbeitet.