Mittwoch, 22. März 2017, 18:30–20:00 Thomas Awe: „Unruhiges Asien – Zeitzeugnisse aus vier Jahrzehnten“

Die gesprochene Autobiografie eines Expats ist eine besondere Form der interkulturellen Ich-Erzählung. Sie bietet Raum, die eigene Vergangenheit so darzustellen, wie man meint, sie erlebt zu haben. Oder auch wie man sie betrachtet haben möchte. Dass sich zwischen den mündlichen Zeilen des Erzählflusses spontan auch immer Unterbewusstes ausbreitet, an die Oberfläche gespült und hörbar wird, macht einen Vortrag gerade in der Interaktion mit frage- und kommentierbereiten Zuhörern besonders authentisch. Und gibt Aufschluss über den vielgestaltigen, eigenartigen Sog, den der Erzähler im Umgang mit seinem Thema, einem unruhigen Asien, fühlte und noch immer spürt. So stark, dass er nach fast 40jährigem Leben auf diesem Kontinent und beruflicher Tätigkeit in südost- und ostasiatischen Ländern seit 1981, durchgehend für eine deutsche politische Stiftung stets an der Membran zwischen Politik und Gesellschaft arbeitend, sich selbst gegenüber Rechenschaft ablegt, indem er darüber berichtet. Dabei sind rückblickend nicht die aneinandergereihten Daten von Belang, sondern die historische und psychische Intensität, mit der diese Zeit Ende der 70er des vorigen Jahrhunderts bis heute erfahren wurde.

Thomas Awes asiatisches Leben auf Taiwan, in Südkorea, auf den Philippinen, in China und schließlich Japan begann im Sommer 1978. Als er mit der Transibirischen Eisenbahn von Berlin aus und der ehemaligen DDR, Polen, der früheren SU und dann mit dem Schiff über Japans Yokohama, Okinawa und Ishigaki nach Keelung im Norden Taiwans eintraf, das damals noch Formosa, Republik oder freies China hieß, wimmelte es dort von amerikanischen Marinesoldaten. Die kommunistische Volksrepublik hatte gerade, zwei Jahre nach dem Ende der sogenannten Kulturrevolution und dem Tode Mao Zedongs, mit ihrer wirtschaftlichen Öffnungspolitik begonnen. Taiwan und Südkorea waren Militärdiktaturen, im totalitären Nordkorea herrschte Staatsgründer Kim Il-sung und auf den Philippinen die Kleptokratie von Ferdinand und Imelda Marcos. Seitdem ist es in der Region nicht ruhiger geworden. 39 Jahre später erinnert sich Awe an sein Asien.

Das Engagement von Thomas Awe, Jahrgang 1953, in der Konrad Adenauer Stiftung reicht bis in die 70er Jahre zurück. Als deren Stipendiat studierte er Sinologie, Politologie und Publizistik/Kommunikationswissenschaft in Göttingen und Chinesisch auf Taiwan. Nach Beendigung der Universitätszeit, die Awe mit einer Magisterarbeit über die deutschlandbezogene Presseberichterstattung in den taiwanesischen Medien abschloss, blieb er der KAS treu, und wurde 1981 Landesbeauftragter der Stiftung in Südkorea. Es folgten Posten als Büroleiter in Manila (1990/96), Asien-Referent in der Zentrale in St. Augustin (1996/2001), erneut Vertreter der KAS in Seoul (2001/05), später Shanghai (2005/10) und Peking (2010/16). Seit Januar 2017 ist er zuständig für die Repräsentanz des Länderbüros in Tokyo und die Leitung des sozialordnungpolitischen Regionalprogramms der KAS in Asien. Thomas Awe ist verheiratet mit Jing Han aus Xi‘an, Volksrepublik China.