Mittwoch, 19. November 2008, 18:30–20:00 Peter Kujath: „Herrschaftslegitimation in ostasiatischen Demokratien“Was Lee Myung-bak, Ma Ying-jeou und Taro Aso noch von Hindenburg lernen können

Es war ein glücklicher Zufall, dass innerhalb kurzer Zeit die Inaugurationsfeiern der Präsidenten Südkoreas und Taiwans sowie zweimal die Wahl eines japanischen Premierministers durch das Parlament stattfanden – zumindest für den Beobachter, der einen Vergleich zwischen der Herrschaftslegitimation der Staatsführer anstellen will.
Es war ein noch größerer Zufall, dass ebenfalls zu dieser Zeit die umfangreiche Hindenburg-Biografie von Wolfram Pyta herauskam.
Der „Sieger von Tannenberg“ und ehemalige deutsche Reichspräsident hat es – was vielen nicht so bewusst sein dürfte – wie kaum ein anderer verstanden, für die rechte Legitimation seiner Herrschaft zu sorgen.
Auch dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak reichte die direkte Volkswahl allein nicht.
Er stützte sich auf sein Image als ehemaliger Wirtschaftsboss und seinen Mythos als einst erfolgreicher Bürgermeister von Seoul.
Für seine Zeremonie zur Amtseinführung am 25. Februar wählte er bewusst den Platz vor der Nationalversammlung in Yeouido und demonstrierte damit, dass über ihm keine Macht – zumindest keine demokratische Institution – mehr Platz hat.
Im Vergleich dazu war Taiwans Präsident Ma Ying-jeou am 20. Mai etwas zurückhaltender.
Seinen Amtseid leistete er im Präsidentenpalast und bezog sich dabei auf die Verfassung, ehe er vom Parlamentspräsidenten die Staatssiegel überreicht bekam. Ma bewegte sich also in einem klaren Rahmen.
Er sieht sich selbst als in der Tradition der Republik China stehend und kann daher nicht wie sein Vorgänger mit dem Reiz der eigenen Nation spielen.
Anders als in Südkorea und Taiwan wird in Japan der Wechsel im Amt des Premierministers innerhalb des Parlaments vollzogen. Nicht das Volk, sondern die Abgeordneten wählen aus ihren Reihen einen, der das Land führen soll.
Damit ist der Spielraum von vornherein festgelegt. Wie begrenzt dieser sein kann, zeigte sich in den letzten Monaten besonders deutlich: Im September wurde Fukuda nach nur einem Jahr im Amt offensichtlich von seinen Partei-Freunden und LDP-Parlamentariern aus dem Amt gedrängt, und auch der neue Premierminister Taro Aso muss sich im Klaren darüber sein, dass die Länge seiner Amtszeit wesentlich davon abhängt, ob er den Politikern seiner eigenen Partei eine Wiederwahl ermöglichen kann – oder er muss sich eine andere Legitimation suchen.
Wer bei Hindenburg nachschlägt, der findet eine Reihe von brauchbaren Ratschlägen, um sich jenseits der Wahl eine Basis zu schaffen: zum Beispiel mit Hilfe der Deutungshoheit über die eigene Vergangenheit, dem gezielten Einsatz von nationalen Symbolen oder der Schaffung des eigenen Mythos, der über alle Zweifel erhaben sein sollte. Den Versuch haben Ma, Lee und Aso zumindest unternommen. Woher kommen diese Ähnlichkeiten? Warum reicht es nicht einfach, gewählt zu werden? Hat sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts so wenig verändert?

Peter Kujath, geb. 1972, begann 1995 seine Tätigkeit für den Bayerischen Rundfunk, ehe er 1999 sein Magister-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München abschloss. Er arbeitete als Reporter, Moderator und Redakteur mit den Schwerpunkten Osteuropa und Asien. 2002 wechselte er in die Hörfunkdirektion des BR und übernahm 2004 dort die Leitung der Abteilung Zentrale Aufgaben. Seit 1. September 2007 berichtet er für die ARD als Hörfunkkorrespondent mit Sitz in Tokyo über die Entwicklungen in Ostasien.