Mittwoch, 11. November 2009, 18:30–20:00 Rebekka Klages: „Frauen auf dem Thron des Tennō – Historisches Relikt oder Zukunftsperspektive?“

„Japan jubelt über Thronfolger“. Diese und ähnliche Meldungen gingen am 6. September 2006 um die Welt und sorgten für Fernseh-Sondersendungen und Extrablätter der japanischen Presse. Prinz Hisahito, Sohn von Prinz Akishino, war der erste männliche Thronfolger, der seit mehr als vierzig Jahren im japanischen Kaiserhaus zur Welt gekommen war.

Im Vorfeld, zwischen 2004 und 2006, hatten bereits die Diskussionen um eine weibliche Thronfolge einen neuen Höhepunkt erreicht. Man sah sich auf politischer Seite gezwungen, Maßnahmen in Richtung einer Verfassungsänderung zu ergreifen. Die japanische Verfassung beschränkt die Thronfolge auf männliche Nachkommen in der männlichen Erblinie. Aiko, Tochter und einziges Kind des Kronprinzenpaares, scheidet somit als Thronfolgerin von vornherein aus.

Einhergehend mit der Geburt des Prinzen rissen jedoch alle Bemühungen um eine weibliche Thronfolge abrupt ab und liegen seitdem auf Eis.

In Japan gab es bereits Herrscherinnen. Trotzdem tut sich das Land offenbar sehr schwer mit der Vorstellung, wieder eine Frau auf dem Thron des Tennō zuzulassen. Diese Haltung ist vor allem vor dem Hintergrund des momentan extremen Mangels an Thronfolgern von besonderer Brisanz.

Einhergehend mit dieser Tatsache ergeben sich Fragen nach historisch bedingten Konventionen, Traditionen und nach der sozialen Stellung der Frau in der japanischen Geschichte und heute. Soll, kann oder muss die Möglichkeit der weiblichen Thronfolge in naher und mittelfristiger Zukunft in Betracht gezogen werden? Und schließlich: Wie kann das Bestehen des Tennō-Systems langfristig gesichert werden?

Japan beruft sich stets auf seine Einzigartigkeit und vor allem Tradition, die der (Wieder-) Einführung der weiblichen Thronfolge entgegenstehen. Die Argumentation mit der Tatsache, dass es in der japanischen Geschichte bereits weibliche Tennō gab, reicht dabei offensichtlich bei weitem nicht aus.

Im Zuge des Vortrags soll diesen Fragen und Problemen aus Sicht der Geschlechter-Wissenschaften nachgegangen werden. Theorien des Sexismus, Rassismus und Klassismus sowie religiöse Grundsätze des Konfuzianismus, Buddhismus und Shintōismus und schließlich das Modell der totalen Institution vermitteln einen neuartigen und aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen des japanischen Kaiserhauses. Sie legen Gründe und Hintergründe der Barrieren offen, die die weibliche Thronfolge in Japan zu überwinden hat.

Rebekka Klages geboren 1981 in Bremen, Studium der Japanologie, Pädagogik und Geografie an den Universitäten Bonn und Köln. Abschluss des Studiums im Sommersemester 2009. Seit Oktober 2009 Promotions-Studium und Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpädagogik der Universität zu Köln, zuständig für den Bereich Japan im Zuge des Aufbaus eines Zentrums für international vergleichende Berufsbildungsforschung.