Vorträge
Mittwoch, 16. März 2016, 18:30–20:00 Robert Blasiak: „Ein kultureller Liebesbrief und Reisebericht von 1910 – Bernhard Kellermanns Ein Spaziergang in Japan“
Im Frühling 1910 reiste der deutsche Autor Bernhard Kellermann (1879-1951) im Alter von 30 Jahren nach Japan. Die transsibirische Eisenbahn bis nach Vladivostok und eine Dampfschifffahrt nach Tsuruga waren nur die erste Schritte. Er durchstreifte das Land über Monate hinweg, verbrachte lange Stunden in kleinen Theatern und Teehäusern auf dem Land und verliebte sich immer schneller in die hübschen Frauen, die ihm auf dem Weg begegneten.
Seine wahre Liebe galt allerdings der Kultur. In seinem Reisebericht Ein Spaziergang in Japan beschreibt er immer wieder wie Japan an der Schwelle eines neuen Zeitalters steht – eine Mischung aus alten Traditionen und neuen Einflüssen. Drei Jahre später wurde Kellermann durch seinen Roman Der Tunnel berühmt, geriet aber bald wieder in Vergessenheit, nachdem seine Werke zur Zeit des Dritten Reichs öffentlich verbrannt wurden.
Hundert Jahre später entdeckte ich im Antiquariat in Heidelberg Kellermanns Ein Spaziergang in Japan. Beim Durchblättern bin ich über eine Seite gestolpert, auf welcher Kellermann einen Stadtbummel durch Yokohama beschreibt. Den gleichen Weg gehe ich jetzt mehrmals die Woche, um Lebensmittel einzukaufen, und etwas von der Energie und Vitalität von damals spürt man heute noch immer in den gleichen Straßen. Im Vortrag werde ich Kellermanns schwungvollen Reisebericht vorstellen und erzählen, wie ich durch seine Augen das Japan von heute und gestern neuentdeckte. Darüber hinaus werde ich beschreiben, wie ich daraufgekommen bin, sein Buch ins Englische zu übersetzen.
Illustrationen von Stuart Ayre
Robert Blasiak ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of Tokyo und seit Jahren als freiberuflicher Übersetzer tätig. Unter anderem hat er zwei Bücher vom Deutschen ins Englische übersetzt: den Gedichtband crossover (Wiesenburg Verlag; 2010) und den Reisebericht A Walk in Japan: The 1910 Travelogue of Bernhard Kellermann (Fine Line Press; 2015). (http://www.u-tokyo.ac.jp/en/whyutokyo/people005.html)