Mittwoch, 4. März 2009, 18:30–20:00 Iris Mach: Vom Teehaus zum Themenpark – Rauminszenierung in der japanischen Architektur

Iris Mach: Vom Teehaus zum Themenpark – Rauminszenierung in der japanischen Architektur

Die zunehmende Dimension und Heterogenität der Anforderungen an zeitgenössische Architektur konfrontiert Planer mit immer komplexeren Problemstellungen im Bereich der Raumgestaltung. Die Aufgabenbereiche der Architektur entfernen sich zusehends von der klassischen Planung von Einzel-gebäuden und entwickeln sich in Richtung Gestaltung künstlicher Landschaften und immersiver Lebens- und Erlebniswelten. Diese Ausweitung des Planungs-umfanges zwingt den Architekten unweigerlich, die herkömmlichen Grenzen zwischen Architektur, Natur und Kunst zu überschreiten. Daraus erwächst der Anspruch einer multimedialen Gestaltung, der durch eine isolierte Architektur-praxis nicht mehr erfüllt werden kann, sondern nach einem interdisziplinären Entwurfsansatz verlangt.

Zudem ist vor allem seitens der Nutzer eine steigende Nachfrage nach sinnlich vereinnahmender Umweltgestaltung zu beobachten, die bereits zu Speziali-sierungen einzelner Architekturschaffender geführt hat (z.B. Jon Jerde – „experience architecture“). Diese kann einerseits als Produkt einer verstärkten Erlebnis- und Konsumorientierung und des Strebens nach publikumswirksamer Vermarktung gesehen werden (z.B. Shopping Malls, Restaurants, Brand/ Designer-Stores, etc.), andererseits stellt sie auch eine Kritik an funktiona-listischen Strömungen dar, die Raumplanung auf die rein logistische Verwaltung physiologischer Rahmenbedingungen der Überlebenssicherung reduzieren wollen (Barackenbau).
Um die hohe Komplexität funktionaler Ansprüche erfolgreich mit einer wahrnehmungs- und präsentationsorientierten Gestaltung zu verbinden, ist es notwendig, Spezialbereiche der Kunst und der Wissenschaft zu konsultieren. So kann beispielsweise die Systemtheorie Analysen zum Aufbau und der Funktionsweise komplexer Organisation beisteuern. Die Psychologie, im Speziellen die Dramaturgie und Performance-Kunst, empfiehlt sich wiederum als erste Kompetenzadresse für Wahrnehmung und Präsentationstechnik.
Besonders aufschlussreich erweist sich eine vergleichende Gegenüberstellung zweier bereits existenter, dramaturgisch inszenierter Architekturbeispiele: des japanischen Teehauses – als Vertreter historischer östlicher Ritualarchitektur und des Themenparks – als zeitgenössischem (vermeintlich) westlichem Enter-tainmentraum. Beide Raumkonzepte demonstrieren vielschichtige, wahr-nehmungs- und erlebnisorientierte Gestaltung mit Verbindungen zwischen Architektur, Landschaftsgestaltung und diversen Kunst- und Medienformen. Die analytische Betrachtung dieser synergetischen und transmedialen Gesamt-kompositionen liefert mögliche Anleitungen zu einer Annäherung zwischen architektonischer und performativer Praxis und damit zur Planung multi-dimensionaler Erlebnissphären, so genannter „Totalscapes“.
Ziel der Arbeit ist es, die zurzeit eher diffuse und auf verschiedene Fachbereiche verteilte Diskussion über Rauminszenierung zusammenzuführen und zu einer expliziten Totalscape-Theorie auszubauen. Erst auf Basis einer konsolidierten theoretischen Basis lassen sich Entwurf und Wirkung von multimedial-synästhetischen Räumen gezielt beschreiben, in einem historischen und trans-kulturellen Kontext bewerten und für die Architekturpraxis nutzbar machen.

Iris Mach, geb. 1977. Dipl.-Ing. für Architektur, Technische Universität Wien. Assistentin für Angewandte Ästhetik und Katastrophenvorbeugung sowie Mitarbeiterin im Bereich der Koordination des Abkommens für Wissen-schaftliche Kooperation der TU-Wien mit der University of Tokyo, Faculty of Engineering. Zurzeit Forschungsstipendiatin an der University of Tokyo für „Rauminszenierung in der japanischen Architektur“