Mittwoch, 26. November 2008, 18:30–20:00 Gesine Gössner: „Besser geben, als bitten. Geschenke als Mittel der Kommunikation zwischen Japanern und Niederländern im 17. Jahrhundert“

Geschenke werden heute, zumindest in den westlichen Ländern, als persönliche Angelegenheit betrachtet.
Ursprünglich hatte der Austausch von Geschenken allerdings nichts damit zu tun, jemandem eine Freude zu bereiten, sondern war notwendig, um zu überleben.
Den Rahmen für die wissenschaftliche Debatte über das Schenken liefert bis heute der „Essai sur le don“ (1923) des französischen Anthropologen Marcel Mauss, in dem der Autor schlussfolgert, dass die Gabe soziale Bindungen schafft und der Gabentausch am Beginn des Vertragswesens, der Kommunikation und der Gesellschaft überhaupt steht.
Im 17. Jahrhundert war es nur Chinesen und den Vertretern der niederländischen „Vereinigten Ostindischen Compagie“ (VOC) erlaubt, nach Japan zu kommen.
Die auf Dejima tätigen Oberhäupter der VOC mussten Tagebücher schreiben.
Das dem Vortrag zugrunde liegende Geschäftstagebuch wurde zwischen Oktober 1690 und November 1691 von Hendrik van Buijtenhem geschrieben.
Mit Buijtenhem befand sich u.a. Engelbert Kaempfer auf Dejima, der das Material zu seiner Japandarstellung in den Jahren 1690-1692 sammelte.
Zwischen Japanern und Niederländern kann man, reflektiert im Tagebuch, zwischen Kommunikation durch Austausch materieller Güter in Form von Geschenken und Handelswaren und Kommunikation durch Sprache unterscheiden.
Darüber hinaus spielen Gesten eine gewisse Rolle.
Überraschenderweise machen Geschenke einen Großteil des Tagebuchs aus. Genau wird aufgezeichnet, wer was, zu welcher Gelegenheit, unter welchen Umständen und zu welchen Kosten, bekam.
Dies führt zu der Frage, warum die Vertreter der damals mächtigsten Handelsgesellschaft der Welt angehalten waren, diese Dinge niederzuschreiben.
In dem Vortrag soll der Frage nachgegangen werden, welche Funktion die Geschenke hatten und was aus dieser Geschenkpraxis über die Beziehungen zwischen Einheimischen und Fremden abgelesen werden kann.

Gesine Gössner
studierte Germanistik und Niederlandistik an der Universität Leipzig, wo sie 1992 promovierte.
Seitdem ist sie als Lektorin für Deutsch und Europäische Kultur in Japan tätig.