Mittwoch, 21. Januar 2009, 18:30–20:00 Vortrag Rolf-Harald Wippich: „Vom Meeresgesindel und anderen Elementen, die den geordneten Seehandel erschweren. Einblicke in die ostasiatische Piraterie in vergangener und heutiger Zeit“

Neben der Prostitution ist wohl nur die Piraterie so alt wie die Menschheit selbst. Sie stellt damit quasi einen der ältesten ‚Berufe’ dar, der gerade in jüngster Zeit wieder heftigen Zuspruch findet. Durch gewaltsame Überfälle auf Schiffe in Küstennähe oder auf hoher See hatten und haben alle seefahrenden Nationen zu leiden. Ein geeignetes und allseits anerkanntes Mittel, diesem Übel beizukommen, ist bislang nicht gefunden!
Gleichwohl sind Piraten zu Ikonen der Populärkultur ausgestiegen – verklärt, bewundert, gefürchtet. Spätestens als Johnny Depp sein Debüt als Jack Sparrow gegeben hat, sind Piraten wieder „in“. Doch neben der filmisch-komödiantischen Seite gibt es auch die brutale Realität, wie es aktuelle Nachrichten aus der Straße von Malakka oder aus dem von Anarchie geplagten Somalia immer aufs Neue dokumentieren.

Die chinesische Seeräuberei ist im Westen vergleichsweise unbekannt. Dabei wirkte die chinesische Piraterie seit alters her mindestens ebenso verheerend auf die maritimen Regionen Asiens wie die westliche Piraterie in ihrem Zenit im 17. und 18. Jahrhundert in der Karibik. Vor allem verfügten chinesische Seeräuber zuweilen über wahrlich riesige Flotten mit abertausenden Mann Besatzung, die die westliche Piraterie in ihren besten Tagen (hochgerechnet 4-5000 Mann) durchaus mickrig erscheinen läßt. Vor allem im 16. und 17. Jahrhundert, und dann wieder Ende des 18. Jahrhunderts stellten chinesische Piratenflotten eine akute Bedrohung von Seehandel und Küstenregionen dar. Die als pirate queen bekannt gewordene Zheng Yi Sao, die zwischen 1807 und 1810 im Südchinesischen Meer operierte, verfügte zum Höhepunkt ihrer Laufbahn über eine Armada von mehr als 300 Kriegsdschunken mit 50000 Seeräubern (und Seeräuberinnen!) Besatzung.

Der Vortrag wird sich der historischen Piraterie in China und der westlichen Reaktion darauf widmen, vorzugsweise dem 19. Jahrhundert, als mit der erzwungenen Öffnung Chinas nach dem desaströsen Opium-Krieg (1839-42) und dem Anstieg des Seeverkehrs sich zuvor ungeahnte Möglichkeiten für Seeräuber abzeichneten. Darüber hinaus soll ein Bogen geschlagen werden in die heutige Zeit, um Gemeinsamkeiten und Abweichungen in den Formen der Piraterie aufzudecken.

Die Abgrenzung Piraterie – Nicht-Piraterie fiel oft schwer, und selbst heutzutage sind die abweichenden Definitionen von Piraterie der UN, des International Maritime Bureau in Kuala Lumpur und der Anrainerstaaten mit verantwortlich dafür, dass es an konzertierten Aktionen gegen das Seeräuberunwesen international hapert.

Rolf-Harald Wippich
ist Professor für Geschichte an der Sophia-Universität Tokyo. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. die deutsch-japanischen Beziehungen ab dem 19. Jahrhundert, die protestantische Missionstätigkeit in Ostasien sowie der sog. Kulihandel und die Piraterie in chinesischen Gewässern.