Mittwoch, 3. Juni 2015, 18:30–20:00 Prof. Dr. Steffi Richter: Olympische Spiele und „moderne Japan-Forschung“: 1940/2020

„Die Universität Leipzig betrachtet es als eine der besonderen Gegenwartsaufgaben, die Wissenschaft in all ihren Gebieten den Wirklichkeiten des Lebens unseres Volkes dienstbar zu machen.“

Mit diesem Plädoyer für die Nützlichkeit wissenschaftlichen Wissens wurde im Wintersemester 1936/37 eine Vortragsreihe an der Leipziger Alma Mater eröffnet, die den Titel trug „Japan und die XII. Olympischen Spiele 1940. Eine Einführung in das Verständnis Japans“. Statt „unseres Volkes“ würde es heute vermutlich „unseres Landes“ oder „unserer Zeit“ heißen – aber dem Ziel, anlässlich besonderer Ereignisse über deren historischen Hintergrund und aktuellen Kontext informieren und Wissen vermitteln zu wollen, fühlen sich AkademikerInnen wohl auch heute noch verpflichtet.

In meinem Vortrag möchte ich einen Bogen zwischen zwei Olympia-Ereignissen spannen: von denen gilt das eine als „Phantom“, weil die Spiele selbst nicht stattfanden, das andere hingegen kann m.E. nicht ohne „Fukushima“ betrachtet werden. Das wird nicht nur an Diskussionen darüber deutlich, ob aus dem „J-Village“ – jetzt als Basislager für Reparatur- und Reinigungsarbeiten des havarierten AKW eher ein „Atom-Dorf“ – wieder ein Trainingszentrum oder gar Olympia-Fußball-Stützpunkt werden soll. Auch die Frage, ob der Fackellauf durch das Katastrophengebiet (und: welches?!) führen und somit als kizuna in diese Region Japans dienen soll, beschäftigt die Medien. Das Stichwort „Fackellauf“ wird mir daher als Leitfaden dienen, um das vielfältige Material zum Thema auch unter dem Aspekt trans-/nationaler Identitätskonstruktion in den Blick nehmen zu können.

Prof. Dr. Steffi Richter, Universität Leipzig, Ostasiatisches Institut/Japanologie. Lehrt und forscht zu Ideengeschichte, Konsumkulturen und Konstruktion moderner Identitäten in Japan, „Cool Japan“, Geschichtsrevisionismus in Ostasien/Japan. Seit April 2011 Mitorganisatorin der Website „Textinitiative Fukushima“, die Übersetzungen aus dem Japanischen zur Dreifach-Katastrophe 3/11 publiziert. Aktuelle Forschungsvorhaben kreisen um diese Ereignisse und fragen nach veränderten Produktions-/Arbeits-, Konsum- und damit Subjektivierungspraktiken und -diskursen.